: Schlüsselfertige Veranstaltungen
■ Jürgen Blunck, Planer gut finanzierbarer Großveranstaltungen, Marketing-Berater und Dozent der privaten Akademie für Werbung in Bremen, wird hiermit zweites Mitglied im taz-Culture Club am Mittwoch
Das Büro ist mitten in der Innenstadt. Ab und an rattert eine Straßenbahn dran vorbei. Das ist urban. In der Empfangsrezeption gibt es freundliche Mädels, die einem die Türen zeigen, durch die man muß, Kaffee „nur mit Milch, kein Zucker“ bringen und gelegentlich sehr höflich das Interview stören, um den Chef in wichtigen Angelegenheiten schön kurzbündig zu behelligen. Der Chef hat ein ziemlich weißes Büro, ein Streifenhemd, dessen Linien bei Sommerschwüle nach ca. 27 Minuten anfangen vor Deinen Augen zu flirren, eine Frau, die ist Rechtsanwältin, zwei Kinder und seit 14 Tagen ein taz-Abo. Der Chef ist Jürgen Blunck. Das 12 Mann -Unternehmen dazu heißt treffsicher Blunck & Partner und bietet „schlüsselfertige Veranstaltungen von der Idee bis zum Bühnenprogramm, Logistik, Infrastruktur, alles was so dazu gehört“. Die sollen im weitesten Sinne etwas mit Kultur zu tun haben, womit die Aufnahme in den
Culture Club hinreichend gerechtfertigt wäre, und es gibt immer etwas Feines auf die Gabel.
Jürgen Blunck ist definitiv einer von der anderen Seite, von da, wo man am Arbeitsplatz bankschaltertauglichen Frischwärts-Freizeitlook bevorzugt und Kaffee aus der irrsinnig frechen Kaffee -Jacobs-Swing-Kanne schenken läßt. Denn frech kommt weiter.
Jürgen Blunck versteht es aber dennoch nett und durchaus rechtschaffen zu plaudern, in langen Sätzen mit wohlerwogenen Formulierungen, und korrigiert sich rasch, wenn ihm immer wieder mal ein marktforschungsrelevanter Fachbegriff durch den Vortrag torkelt.
Herr Blunck hat Jura und Politik studiert, dann Germanistik und Philosophie und Sozialwissenschaften und Publizistik abgeschlossen. Nach vier Jahren universitären Forschungsprojekten hat er für ein Hamburger Meinungsforschungsinstitut Statistik-und Marketing-Projekte be
treut. Der Mensch ist bloß sieben Jahre älter als ich (32) und hat doppelt so viel rumprobiert.
taz: Was machst Du jetzt mit Blunck & Partner?
Jürgen Blunck: Ganz normale Marketing-Beratung - ein Partner ist z.B. Personaltrainer, der macht Verkaufsförderungstraining. Und eben auch große Veranstaltungen.
Warum macht man sich damit selbständig?
Man hat keine Lust, Veranstaltern immer Marketing-Konzepte anzubieten, die dann nicht umgesetzt werden. Man macht es dann eben selbst. Man sollte solche Dinge nicht zu langfristig planen. Wir haben klein angefangen und sind immer noch verdammt klein. Das ist so ähnlich wie bei der taz. Man fängt an, und dann werdendie Probleme des Tages gelöst.
Was verdient man dabei
Ich kann Dir im Januar nicht sagen, was ich im Dezember verdiene. Als relativ junges Unternehmen investieren wir noch. Ganz sicher hab ich regelmäßig ein ähnliches Gehalt wie Du (1400,-d.R.). Ich könnte mehr rausziehen, aber die Firma muß ja auch leben. Das kann in zehn Jahren natürlich anders sein. Und die Arbeit hier macht eben schon deshalb Spaß, weil ich hier die Chance hab, meine Ausbildung als Sozialwissenschaftler in einer Weise einzusetzen, die meiner Persönlichkeit entspricht. Wir machen ja z.B. so etwas wie Freizeitforschung, d.h. beschäftigen uns mit der Frage, wie können wir Veranstaltungen organisieren, damit sie von der Bevölkerung auch akzeptiert wird.
Wieso machst Du nicht nur Marktforschung und läßt das mit den Veranstaltungen?
Der 2. Schritt, die Veranstaltung durchzuführen, ist einfach ein wirtschaftlich notwendiger. Sonst wären wir wieder da, wo wir ganz am Anfang waren, daß wir nämlich nur beratend tätig sind. Das ist für mich persönlich nicht sehr befriedigend. Man arbeitet zu oft für den Papierkorb. Andererseits kommt eine Großveranstaltung wie der Bremer Sommer ohne Marktforschung nicht aus, weil das Risiko sonst zu groß wird, daß man baden geht.
Sind das überhaupt noch „Kultur„-Veranstaltungen, oder ist das Ganze mehr marktorientiert?
Die taz muß natürlich diese Frage stellen. Aber da sind so viele Unterstellungen drin: was ist jetzt Kultur, was Markt. Ich finde es am einfachsten, wenn man unter Kultur das versteht,
was gemeinhin darunter verstanden wird, so nebulös das auch immer sein mag. Dann gibt es da sicherlich so etwas wie 'Hochkultur‘, Massenkultur und 'Subkultur‘. Ich habe aber manchmal den Eindruck, daß solche Begriffe und das, was dahintersteckt, kaum noch diskutiert werden. Es geht nur noch darum: wer ist der Kulturträger. Und mit dem Träger wird eigentlich die Rechtschaffenheit von Kultur sofort mitentschieden. Wenn ich als privater Mensch Kultur -Sponsorship betreibe, habe ich immer noch andere Interessen. Das wird mir dann immer unterstellt. Wenn ich das als Behörde tue, wird genau das plötzlich rechtschaffen.
Können denn diese nach Marktforschung konzipierten Großveranstaltungen noch als Kulturereignis bezeichnet werden?
Die Großveranstaltungen jetzt als wesentliches kulturelles Ereignis zu bezeichnen, geht sicher zu weit. Das ist ein Mosaiksteinchen von dem, was die Kulturlandschaft einer regional begrenzten Einheit ausmacht. Ich fände aber auch, daß die Kulturlandschaft enorm verarmt, wenn solche Feste nicht mehr stattfinden würden. Der Bremer Sommer etwa umfaßt Veranstaltungen, die auch von klassischen Kulturträgern akzeptiert werden.
Aber es besteht ein eindeutiger Unterschied zur Alternativ und Subkultur des Modernen oder der Breminale etwa.
Breminale und Stadtfest Bremen sind sicherlich von der Ausführung her unterschiedlich, vom Ansatz aber doch sehr ähnlich. Es tragen nämlich ähnliche Strukturen zum Erfolg solcher Veranstaltungen bei, nämlich die Strukturen großer Feste: Sponsoren, Gastronomie-Lizenzen, Großzelte.
Nur daß bei der Breminale der künstlerische Inhalt Ausgangspunkt ist, der mit bestimmten Strukturen so gerade eben finanziert werden soll. Beim Bremer Sommer aber stehen kommerzielle Interessen im Vordergrund, Kultur ist bloß Mittel zum Zweck.
Kein Veranstalter macht über Jahre Projekte, die betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll sind. Wenn die Breminale z.B. sich nicht trägt, müßte man sich überlegen, wie man sie umstrukturiert, damit sie z.B. Sponsor-würdiger wird.
Zwingt das nicht zu inhaltlichen Zugeständnissen?
Werbetreibende richten sich, wenn sie Werbung treiben, in erster Linie danach, inwieweit mit
diesem Engagement eine positive Verknüpfung mit ihrem Produkt gewährleistet werden kann. Sie haben darüber hinaus natürlich ein Interesse an einer Vermarktung an die Masse. Das ist mit manchen Formen von Kultur nicht möglich. Das Bedürfnis vieler Bürger nach ihnen nicht genehmer Kultur ist natürlich sehr eingeschränkt. Sie haben nicht die Lust und die Bereitschaft, das länger auszuhalten. Die Breminale etwa verlangt von kulturfremden Bevölkerungskreisen zu viel. Kultur wird nicht als etwas verstanden, das auch vermittelt werden muß. Demjenigen, der so etwas gar nicht kennt, wird es auch nicht zugänglich gemacht. Subkulturen provozieren so ziemlich konservative Strukturen.
Wie entsteht so ein marktwirtschaftlich abgesichertes Veranstaltungskonzept?
Man hat eine Idee, z.B. daß Bremen als Oberzentrum, das es ja gern sein möchte, durch eine bstimmte Art von Zusatz -Veranstaltungen attraktiver gemacht werden könnte, so daß es zusätzliche Besucher - gleich Konsumenten, das kann man ganz offen dahinter sagen, denn an die wird ja gedacht nach Bremen zieht. Als Motto einer solchen Veranstaltung hatten wir dann etwa für den Bremer Sommer die Idee: Bremen als Hafen-und Handelsstadt, d.h. Präsentation der Länder, mit denen Bremen in Verbindung steht, auf einer Art volkstümlichen Markt.
Was hältst Du von Stadionrock-Veranstaltungen wie Bruce Springsteen im Weserstadion?
Was dabei verloren geht ist die Überraschung in Kommunikationssituationen. Es passiert einfach nichts. Ich gehe hin und konsumiere. Das ist bei Stadtfesten ganz anders. Da treff ich Leute, steh da rum und gönn mir einfach einen schönen Tag, als säße ich irgendwo im Cafe.
Du kommst aus Dortmund. Willst Du in Bremen bleiben?n
Ich bin inzwischen hier verheiratet und finde Bremen als Wohnstadt sehr schön, auch wenn es aus wirtschaftlichen Gründen besser wäre, etwa im Ruhrgebiet zu arbeiten. Bremen hat ja nur eine Stadtgemeinde von ca. 500.000 Einwohnern. In bestimmten Kreisen kennt einfach jeder jeden. Da müssen auch die Grenzen des Fairplay gewahrt werden. In Bremen trifft man sich immer zweimal.
Fragen stellte Petra Höfer
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