piwik no script img

China goes West

■ Chinas sozialistische Marktwirtschaft wird mit ausländischen Krediten gefüttert Auslandsschulden doppelt so hoch wie bislang bekannt / Bonität bezweifelt

Berlin (dpa/vwd/afp/taz) Auch Chinas Modernisierungspolitik kommt nicht ohne ausländisches Kapital aus. Wie der Finanzminister Wang Bingquian als offizielle Reaktion auf verschiedene chinesische Zeitungsveröffentlichungen bekannt gab, belaufen sich die Außenschulden der Volksrepublik auf rund 30 Milliarden Dollar. Diese jetzt bekanntgegebene Zahl ist fast doppelt so hoch wie die bislang publizierten Daten. Danach belief sich die Außenverschuldung Ende 1987 auf knappe 17Milliarden Dollar. Nach Ansicht westlicher Finanzexperten dürfte jedoch nicht die absolute Höhe der Außenschuld, sondern die zukünftige Bedienung des Schuldendienstes zu einem Problem werden. Um die Tilgungs und Zinszahlungen leisten zu können, müssen die chinesischen Unternehmen harte ausländische Devisen erwirtschaften.

Finanzminister Wang Bingquian hat mögliche Bedenken gegenüber der Rückzahlungsfähigkeit zu zerstreuen versucht, indem er den Schuldendienst in den Rang „nationaler Glaubwürdigkeit“ erhob und versicherte, daß alle Auslandskredite bedient und zum Fälligkeitstermin pünktlich zurückgezahlt würden. Neben den Ausgaben für Landwirtschaft, Bildung, Wissenschaft und Verteidigung habe das Schuldenmanagement höchste Priorität für die Staatsführung.

Erste Alarmzeichen für die Bonität Chinas sind bereits zu verbuchen. Eine von China aufgelegte 300-Millionen-DM -Anleihe wurde von Moody's Investment Services nur mit der Note A3 eingestuft. Diese Wertung ist üblicherweise für Kreditnehmer reserviert, deren Schuldendienstpotential als gefährdet angesehen ist. Die für Auslandsgeschäfte zuständige „Bank von China“ hat deshalb diese Bewertung kritisiert und darauf hingewiesen, daß dadurch die geplante „Politik der vorsichtigen Kreditaufnahme“ gefährdet werde. Keine abschreckende Wirkung zeitigte diese Bewertung allerdings bei den japanischen Banken. Nachdem Japan bereits für den Zeitraum 1984/89 einen Kredit von 470 Milliarden Yen (etwa 6 Milliarden DM) an China vergeben hat, soll für die Phase 1990/95 ein weiterer Kredit in Höhe von 800 Milliarden Yen folgen. Mit diesem Kredit sollen Projekte zur Modernisierung der chinesischen Infrastruktur und insbesondere der Elektrizitätswirtschaft sowie des Transportsystems finanziert werden.

Vor allem zwei Entwicklungen könnten die Außenverschuldung zu einem Problem werden lassen. Zu einem das relativ hohe Tempo der chinesischen Außenverschuldung, das zu einer Kumulation von Rückzahlungsverpflichtungen führt. Im nächsten Jahrzehnt, so Schätzungen, wird China pro Jahr einen Gegenwert von etwa 12 Milliarden Dollar zurückzuzahlen haben. Der größere Teil dieser Summe wird allerdings in japanischen Yen anfallen, weil Japan der größte Einzelgläubiger der Volksrepublik ist. Erforderlich ist entsprechend auf mittlere Sicht ein chinesischer Handelsbilanzüberschuß gegenüber Japan. Als ein zweites Problem wird von Finanzexperten das fehlende zentrale Schuldenmanagement ausgemacht. Diese Funktion wird gegenwärtig von der „Volksbank“ , die die aufgelaufenen Schulden überwacht, von der Staatlichen Plankommission, die die Gesamtverschuldung projektiert und Anleihen zustimmen muß sowie dem Finanzministerium durchgeführt, das die Rückzahlungsmodalitäten beaufsichtigt und staatliche Mittel für den Schuldendienst bereitstellt. Diese dezentrale Struktur wird vor allem von den westlichen Banken als Hindernis für eine rationale und koordinierte Außenverschuldung angesehen.

Die Modernisierung der Steuerverwaltung ist ein erster Schritt zum Ausbau des Schuldenmanagements. Durch die Errichtung von 15 Steuerämtern in den Hafenstädten der wachstumsstarken Küstenregionen sollen Ex- und Importsteuern abgeschöpft werden, deren Erträge dann wiederum für den Schuldendienst verwendet werden können. Von diesen Steuermaßnahmen sollen zukünftig verstärkt auch die mehr als 11 000 Joint-venture-Unternehmen erfaßt werden, deren Volumen an Auslandsinvestitionen etwa 23Milliarden Dollar ausmachen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen