: Warum soll es auf Sri Lanka anders sein?
■ Wie in Mittelamerika wird auch hier im Jahr nach dem Friedensabkommen immer noch gekämpft
Was als Rajiv Ghandis größter außenpolitischer Triumph gedacht war, erweist sich nur ein Jahr später als seine größte Pleite. Weit davon entfernt, den Frieden zu bringen, ist Indiens auf 52.000 Soldaten angewachsene „Friedenstruppe“ in einen ungewinnbaren Kampf gegen tamilische Rebellen verwickelt.
Der indische Regierungschef sitzt zwischen allen Stühlen: Den Rebellen der „Befreiungstiger von Tamil Eelam“ geht der Friedensplan, der den Tamilen im Norden und Osten des Landes größere Autonomie einräumt, nicht weit genug; den singhalesischen Extremisten der Volksbefreiungsfront (JVP) geht er zu weit; und im eigenen Land sieht sich Gandhi wachsender Kritik wegen seines militärischen Engagements auf der Nachbarinsel ausgesetzt. Einzig Jayawardene hält ihm die Stange. Von Feiern anläßlich des heutigen Jahrestages kann keine Rede sein. Während „Tiger“ und JVP - ansonsten erbitterte Feinde - unisono die Bevölkerung zu Protestaktionen anläßlich des „schwarzen Freitags“ aufriefen, bereiten sich sowohl Indiens Botschaft als auch Sri Lankas Armee auf neue Anschläge vor. Ein Militärsprecher teilte mit, in dem Dorf Welioya im Nordosten der Insel seien gestern vierzehn singhalesische Bauern beim Holzsammeln überfallen und zu Tode gehackt worden. Auf einer anonymen Postkarte, die bei einer Nachrichtenagentur einging, war mit Angriffen der JVP „gegen alle indischen Interessen auf Sri Lanka“ gedroht worden.
Im Süden - der Hochburg der singhalesischen Extremisten tauchten immer wieder Wandplakate auf, in denen für heute eine Art Ausgangssperre ausgerufen und die Bevölkerung zum Generalstreik aufgerufen wurde. Die srilankische Regierung stellte daraufhin bis kommenden Montag die Postzustellung ein, um zu verhindern, daß die JVP Regierung und Privatunternehmen mit Drohbriefen zur Einhaltung des Proteststreiks zu zwingen versucht.
Zulauf verschafft der JVP im Süden der Insel auch die Wirtschaftskrise. Die Arbeitslosenquote liegt bei 25 Prozent. Der Krieg gegen die Tamilen verschlingt nicht weniger als 35 Prozent des Staatshaushalts - Gelder, die für Investitionen fehlen. Immer mehr Srilankaner leben unterhalb der offiziell verkündeten Armutsgrenze, und gerade im unzufriedenen Kleinbürgertum auf dem Lande rekrutiert die JVP ihre Anhänger.
Obwohl Singhalesisch Staatssprache ist, haben die Kinder dieser Familien - ohne Englisch erzogen - keine Aussicht, einen der begehrten „Krawattenjobs“ in der Hauptstadt zu bekommen. Die Parlamentswahlen, die nach der Verfassung spätestens im Juli 1989 abgehalten werden müssen, werden wenig ändern. Auch Frau Bandaranaike Oppositionspartei hat zur neo-liberalen Wirtschaftspolitik von Jayawardene keine Alternative. Und die Allianz der Linken dürfte sogar Schwierigkeiten haben, die 12,5-Prozent-Hürde bei Wahlen zu überspringen.
Trotz des Widerstandes von Seiten militanter buddhistischer Singhalesen und hinduistischer Tamilen will Präsident Jayawardene an den Friedens-Vereinbarungen festhalten. Nachdem bereits in sieben Provinzen des Landes Provinzräte eingesetzt worden waren, gibt sich Jayawardene fest entschlossen, in den nächsten Wochen die noch ausstehenden Provinzrats-Wahlen im Norden und Osten auszuschreiben notfalls auch ohne Zustimmung der „Tiger“. Diese hatte zwar ursprünglich zusammen mit sechs weiteren tamilischen Rebellengruppen dem Friedensplan zugestimmt, machte später aber wieder einen Rückzieher, nachdem die Entwaffnung der Rebellen beginnen sollte.
Mit der Kooperation der für einen unabhängigen Staat „Tamil Eelam“ kämpfenden Befreiungstiger kann Jayawardene somit nicht rechnen. Ob aber ein tamilischer Provinzrat gegen die „Tiger“ wird regieren können, ist äußerst fraglich.
In den seit zehn Monaten andauernden Kämpfen gegen die indischen Soldaten haben die Tamilentiger ihre Stellung als wichtigster Gesprächspartner für Neu Delhi untermauert. 2000 Kämpfer haben die Rebellen bereits verloren, doch bislang ist es der indischen Seite nicht gelungen, sie militärisch zu besiegen. Im Gegenteil: Die tamilische Bevölkerung sieht in dem 34jährigen Tiger-Führer Velupillai Prabhakaran inzwischen eine Art srilankischen Robin Hood. Neu Delhi ist sich bewußt, daß es langfristig die Tiger von einer politischen Regelung nicht ausschließen kann. Und so gehen ungeachtet der militärischen Offensive die geheimen Verhandlungen zwischen beiden Seiten weiter, wie Gandhi selbst eingestanden hat.
M.R. Narayauswami, A. Jayasinghe (afp) / Th. Prin
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen