piwik no script img

Waldheimprozeß vertagt

Der Gerichtssaal bot Platz für sechs Beobachter / Richterin: „Wir sind doch nicht in Deutschland“ / Angeklagter Journalist will ohne Öffentlichkeit nicht aussagen  ■  Aus Wien Christian Seiler

Gestern sollte in Wien der erste Prozeß seit Beginn der Waldheim-Affäre im Frühjahr 1986, der sich auch mit der Kriegsvergangenheit des österreichischen Präsidenten beschäftigen wird, beginnen. Er wurde allerdings auf unbestimmte Zeit vertagt.

Angeklagt vor dem Wiener Landesgericht für Strafsachen ist der Journalist Walter Oswalt. In der Wochenzeitschrift 'Falter‘ hatte er in einem Beitrag eine Strafanzeige erläutert, die 1.000 Österreicher gegen Waldheim wegen des Verdachts auf Beteiligung an Morden in der NS-Zeit erstattet hatten. Die Richterin Ulrike Psenner wollte gestern in einem Verhandlungsraum mit sechs Sitzplätzen tagen, ... Fortsetzung auf Seite 2

in dem sich dann „stehend und auf dem Boden sitzend“, wie sie ins Protokoll diktierte, 24 Besucher den spärlichen Platz teilten. Über 60 Interessierten, darunter Vertretern der internationalen Presse, wurde schlichtweg der Zugang verweigert. Psenner: „Wir sind hier schließlich nicht in Deutschland.“ Der Antrag, das Verfahren in einen größeren Saal zu verlegen, ist von der Richterin abgelehnt worden: „Wenden Sie sich an das Bundesministerium für Justiz.“ Oswalt verzichtete dann darauf, Aussagen in eigener Sache zu machen, da die Öffentlichkeit des Prozesses nicht garantiert sei. Wann das Verfahren wiederaufgenommen wird, stand gestern noch nicht fest.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen