: Hessens Diäten auf altem Hochstand
Mit gemeinsamem Antrag kippten die im hessischen Landtag vertretenen Parteien ihr „Bereicherungsgesetz“ / Grüne setzten sich durch / SPD begründet Zustimmung zum Aufhebungsentwurf / Möller (CDU) neuer Präsident / SPD stellt Vizepräsidenten ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt
Wiesbaden (taz) - Die Abgeordneten des hessischen Landtages eliminierten gestern im Rahmen einer Sondersitzung das von den Altparteien erst im Februar dieses Jahres verabschiedete „Bereicherungsgesetz“ (Grüne). Mit dieser Entscheidung auf der Basis des Entwurfes der Grünen setzte der Landtag einen vorläufigen Schlußpunkt unter einen Skandal, der das Land an den Rand einer Parlamentarismuskrise gebracht und fast die Regierungskoalition aus CDU und FDP gespalten hatte.
Gnadenlos ging der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Joschka Fischer, zu Debattenbeginn mit den Altparteien und insbesondere mit Ministerpräsident Wallmann ins Gericht, der erst vor Wochenfrist öffentlich gleichfalls „schwere Bedenken“ gegen das Diätenerhöhungsgesetz geäußert hatte und der sich - bei der Abstimmung im Februar - mit einem „unguten Gefühl“ (Wallmann) aus dem Parlamentssaal geschlichen hatte. Fischer: „Die Verantwortung eines Ministerpräsidenten endet nicht mit der Öffnung der Lokustür.“
Der Eingriff des Ministerpräsidenten, der - „unter dem Eindruck der Betroffenheit in der Union bis hinein in die Ortsverbände“ (Wallmann) - am vergangenen Wochenende eine „Einfrierung“ des Diätenerhöhungsgesetzes und eine Anhebung der Kostenpauschale gefordert hatte, gab der SPD Gelegenheit, ihre Zustimmung zum Aufhebungsentwurf zu begründen. Der Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende habe mit seinem „Schnellschuß“ (Starzacher/SPD) den Konsens der Altparteien auf Neuformulierung des Diätengesetzes unter Beibehaltung des geltenden Gesetzes - obsolet gemacht. Joschka Fischer hatte das zuvor deutlicher formuliert: Wallmann habe auch seiner eigenen Fraktion „auf die Barnatzel gehauen“. Daß es wegen der Wallmann-„Einfrierung“ selbst in der Koalition gekriselt hatte,... Fortsetzung auf Seite 2
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legte im Anschluß dser FDP-Fraktionsvorsitzende Wilke offen. Es seien da „Entscheidungen herangereift“, die sich mit der abgesprochenen Vorgehensweise nicht mehr gedeckt hätten und die einen „sauberen Schnitt“ erforderlich gemacht hätten. Wallmann selbst machte in einem extrem kurzen Redebeitrag die „öffentliche Empörung“ dafür verantwortlich, daß der Landtag zu dieser Sondersitzung habe zusammentreten müssen. Wallmann: „Ohne diese erregte öffentliche Diskussion würde heute niemand über das gerade im Februar verabschiedete Gesetz erneut beraten.“
Mit den Stimmen aller Parteien wurde das „Bereicherungsgesetz“ schließlich geschaßt und der alte Diätenzustand in Hessen wiederhergestellt. Bis zum September wollen die Fraktionen - zusammen mit externem Sachverstand ein neues, verfassungskonformes Gesetz erarbeitet haben. Die anschließende Wahl des neuen Landtagspräsidenten verlief ohne Überraschungen. Bei Enthaltung der Grünen wurde Klaus -Peter Möller von der CDU mit großer Mehrheit zum Nachfolger des zurückgetretenen „Diätenvaters“ Lengemann gewählt. Iris Blaul hatte dagegen weniger Erfolg. Zwar stimmte auch die FDP für die Grüne als Vizepräsidentin des Landtages, doch die anwesenden ParlamentarierInnen von CDU und SPD votierten für den sozialdemokratischen Ex-Minister Armin Clauss. So bleibt der bereitstehende Dienstwagen des zweiten „Diätenvaters“ Erwin Lang (SPD) fest in sozialdemokratischer Hand.
Hamburg (dpa) - In einem Zeitungsinterview äußerte die FDP -Politikerin Hildegard Hamm-Brücher die Ansicht, daß alle Länderparlamente ihre Diäten-Entwicklung weit überzogen haben. Es würde völlig ausreichen, wenn sich die Länder mit echten Teilzeitparlamenten begnügten und jeder Parlamentarier wenigstens teilweise noch seinem Beruf nachgehen würde.
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