: Kein Saft dank Bewag-Kraft
■ Erneut Stromausfall in Berlin / Nagelneues Kraftwerk Reuter-West versagte schon wieder / BI: Falsche Bewag-Planung / Viel zu große Kraftwerksblöcke
Ganze 15 Tage nach dem Stromausfall am 13.Juli versagte die Technik der städtischen Energiegesellschaft Bewag am Donnerstag abend erneut.
Zehn bis 20 Minuten lang, zum Teil sogar für eine Stunde, kam in Teilgebieten von Neukölln, Kreuzberg, Tempelhof, Steglitz, Charlottenburg und Wedding keine Kraft mehr aus der Dose. Wie schon vor zwei Wochen fiel der nagelneue Block D des Kraftwerks Reuter-West aus. Auch vor zwei Wochen hatte hier, wie berichtet, eine Kesselstörung den Ausfall ausgelöst.
Der Reuter-Schaden allein wäre jedoch kein Malheur gewesen. Doch die Frequenzschwankung im Stromnetz durch den Ausfall war diesmal so groß, daß auch der Batteriespeicher der Bewag in Steglitz versagte. Mit seinen 17 Megawatt (MW) hätte die Bewag eine Netzfrequenz von 48,7 Hertz halten können, doch ohne den Speicher sank sie auf 48,6 Hertz. Sechs der 100 Berliner Umspannwerke schalteten daraufhin automatisch ab, um einen Zusammenbruch des mit 50 Hertz betriebenen Netzes zu verhindern. Dann halfen die stets unter Dampf stehenden Speichermaschinen in Charlottenburg und rasch startende Gasturbinen dem Bewag-Netz wieder auf die Beine.
Für Bewag-Sprecher Knopf war es eine normale Panne. Die neue Umweltschutztechnik, meinte er, mache moderne Kraftwerke komplizierter und damit anfälliger. Um diese Abendzeit sei bedauerlicherweise auch der Verbrauch leicht gestiegen, die mitlaufende Reserve in anderen Kraftwerken sei nicht kontinuierlich mitgesteigert worden.
Der „Energiepolitische Ratschlag“, ein Zusammenschluß von 14 Bürgerinitiativen, bezeichnete dagegen gestern die „verfehlte Planung der Bewag“ als Ursache der häufigen Ausfälle. Mit je 300 MW seien die beiden Blöcke von Reuter -West so groß, daß ihr Ausfall im Berliner Insel-Netz nur mit Schwierigkeiten zu kompensieren sei. Der AL -Umweltexperte Schwilling zitierte gestern eine „Faustregel der Elektrizitätswirtschaft“, nach der ein Kessel nicht mehr als zehn Prozent des Gesamtverbrauchs (in Berlin bis zu 1.830 MW) tragen dürfe. Schwilling konnte daran erinnern, daß im Juni 1983 auch der damalige Bewag-Vorständler von Gersdorff zugegeben hatte, die Kessel von Reuter-West seien zu groß. Auch am Donnerstag wurde die Zehn-Prozent-Regel verletzt: Der Reuter-Block trug 168 Megawatt bei, 993 Megawatt wurden verbraucht.
hmt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen