: El Salvadors Armee rückt nach rechtsaußen
Sympathisanten der rechtsradikalen ARENA-Partei sind an die Spitze der drei Polizeiorganisationen und in den Generalstab aufgerückt Sie warten auf die Niederlage der Christdemokratie bei den Präsidentschaftswahlen ■ Aus San Salvador Ralf Leonhard
Generalstabschef Adolfo Blandon warnte vor einem Putsch. Die rechtsextreme ARENA-Partei wolle den demokratischen Prozeß über den Haufen werfen. Das war Mitte Juni, und zum Monatsende standen die umfangreichsten Umbesetzungen in den Streitkräften seit 1983 an. Blandon fürchtete selbst das prominenteste Opfer eines allgemeinen Rucks nach rechtsaußen zu werden. Doch der von vielen erwartete vollständige Generationswechsel blieb noch aus.
Die 70.000 Mann starken Streitkräfte El Salvadors (55.000 Mann Armee und 15.000 Sicherheitskräfte), lassen sich von den Zivilisten ungern ins Zeug pfuschen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß dem Staatspräsidenten auf dem Papier der Verfassung von 1984 der Oberbefehl des Heeres übertragen wurde. diese Ohnmacht der Regierung zeigte sich niemals deutlicher als im vergangenen Oktober, als mehrere Feldkommandanten just einen Tag, nachdem Napoleon Duarte eine Waffenruhe ausgerufen hatte, ihre Truppen attackieren ließen. Die Militärs sind der Meinung, daß sie den Krieg gegen die Guerilla nur deswegen noch nicht gewonnen haben, weil die Regierung auf dem politischen Terrain die militärischen Erfolge verspiele. Für das Counterinsurgency -Projekt der USA, dessen Galionsfigur Napoleon Duarte gewesen ist, konnte die Regierung allerdings auf die Zusammenarbeit der militärischen Führung rechnen. Das erklärt, warum Verteidigungsminister Vides Casanova und Generalstabschef Blandon fünf Jahre lang nicht ausgetauscht wurden. Daß die beiden wider Erwarten auch diesmal überlebten, obwohl sie die in der Heeresverfassung vorgesehene dreißigjährige Dienstzeit schon überschritten haben, kann nur mit der Intervention der US-Botschaft erklärt werden. Washington hat über die Militärhilfe ein wirksames Instrument in der Hand, die Entscheidungsprozesse zwischen Verteidigungsministerium und Generalstab zu beeinflussen.
Bei der Personalpolitik der Streitkräfte kommt in El Salvador dem Zusammenhalt der einzelnen Jahrgänge („tandas“) der Militärakademie eine Schlüsselrolle zu. Derzeit sind die Generalsposten von Leuten des 27. bis 30. Jahrganges besetzt. Der 35. Jahrgang, der 1966 seine Prüfung bestand, war mit 45 jungen Leutnants der bis dahin größte und wird daher „tandona“ genannt ( große tanda). Die meisten Mitglieder dieses Jahrgangs sympathisieren mit der rechtsextremen ARENA. Schon vor den Umbesetzungen vom Juni hielten sie das Kommando in vier von sechs Infanteriebrigaden und 70 Prozent der Feldkommandos. Jetzt stehen sie auch an der Spitze der Sicherheitskräfte (Nationalpolizei, Haciendapolizei und Nationalgarde) und sind im zehnköpfigen Generalstab mit drei Obristen statt einem vertreten. Die Generalsposten und damit die Führung von Generalstab und Verteidigungsministerium hat die „tandona“ allerdings noch nicht erobern können. Ruben Zamora, Vizepräsident der mit der Guerilla kooperierenden Demokratisch-Revolutionären Front (FDR), der vor einem halben Jahr aus dem Exil zurückgekehrt ist, hat eine Erklärung dafür: „Da gibt es noch jüngere Obristen, die das verhindern wollen. Denn wenn die 'tandona‘ einmal an die Macht kommt, werden sie wohl lange nicht zum Zug kommen.“
In erster Linie geht es allerdings um handfeste Politik. „Nach ihrem Wahlsieg im März verlangen die rechtsextreme ARENA und die Oligarchie wieder mehr Mitspracherecht in der Kriegsführung“, vermutet Julio Cesar Portillo, einer der Anführer des linken Gewerkschafts- und Genossenschaftsbündnisses UNTS. Was das bedeutet, kann man sich vorstellen, wenn man Oberst Rene Emilio Ponce kennt, einen der herausragendsten Vertreter der „tandona“, der derzeit das Kommando im heiß umkämpften Ostdepartement San Miguel führt. Er hat eine unzweideutige Erklärung für das Scheitern der Christdemokraten bei den Wahlen: „Sie sind von der irrigen Annahme ausgegangen, daß man gleichzeitig den Krieg gewinnen und die Demokratie aufbauen kann.“ Neben Ponce sind Mauricio Vargas, Chef der Operationen im Generalstab, und Roberto Staben, Kommandant des Elitebataillons ARCE, die sichtbarsten Köpfe der „tandona“. Der in Taiwan ausgebildete Vargas ist einer der wenigen lateinamerikanischen Offiziere, der an der School of the Americas in der Panama-Kanalzone, wo bis zu deren Auflösung 1984 ein Gutteil der lateinamerikanischen Militärs unterwiesen wurde, unterrichtet hat (Fachgebiet: „Strategie“). Er gilt als Ideologe des reformistischen Flügels der Armee und als Architekt des militärisch-zivilen Computerinsurgency-Programms, das sich euphemistisch „Vereint für den Wiederaufbau“ nennt. Staben seinerseits neigt zur extremen Rechten und wird mit einer Bande von Kidnappern in Verbindung gebracht.
Militärexperten meinen, daß die entscheidenden Veränderungen an der Spitze in der ersten Hälfte des kommenden Jahres über die Bühne gehen. Dafür spricht auch die Theorie, daß die kommende Generation nicht mit dem Bade der scheidenden Regierung ausgeschüttet werden will, also lieber abwartet, bis die derzeitige Militärführung gemeinsam mit den Christdemokraten „untergeht“. Im Juni 1989 wird, so die Wahlprognosen, aller Voraussicht nach der Kandidat der faschistischen ARENA in den Nationalpalast, der Sitz des Staatspräsidenten, Einzug halten. Der ideale Zeitpunkt für eine Änderung der Militärstrategie: Von der Kombination zwischen militärischem Zuschlagen und zivilem Indoktrinieren und Wiederaufbauen hin zum totalen Krieg gegen Guerilla und unbotmäßige Landbevölkerung.
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