: „Sonst blutet der Etat aus“
■ Harry Bohnsack, grüner Ratsherr in Bremerhaven, fordert kurzen Prozeß für Flüchtlinge
taz: Bedeutet Eure Erklärung, daß die jugoslawischen Roma wieder zurück sollen?
Harry Bohnsack: Nein, das bedeutet es nicht. Wir haben fast zwei Stunden sehr heftig über diese Presseerklärung diskutiert. Wir sind vor Ort zu der Auffassung gekommen, daß es sich hier nicht um politische Flüchtlinge handelt. Die Tatsache, daß diese Gruppe in einer großen Anzahl auf einmal angereist ist und daß nach der Abschaffung der Sozialhilfezahlung schon 60 von ihnen den Asylantrag zurückgezogen haben, läßt uns dieses vermuten.
Und Eure Presseerklärung läuft darauf hinaus, daß diejenigen, die Eurer Meinung nach kein Asyl verdient haben, bitteschön wieder abhauen sollen.
Nein, so trifft das nicht zu. Wir sind grundsätzlich der Auffassung, daß die Belastung für den Sozialetat inzwischen so groß geworden ist, daß wir Probleme haben, überhaupt noch die Mittel aufzubringen. Und jetzt führt die Unterstützung von politisch nicht Verfolgten dazu, daß dieser Etat weiter ausblutet und wir tatsächlich in Not geratene Verfolgte nicht mehr ordnungsgemäß versorgen können.
Also nochmal: Die jugoslawischen Roma sollen gehen?
Wenn sie keine politischen Flüchtlinge sind und wenn sie nur gekommen sind, um hier Finanzen in Anspruch zu nehmen, dann müssen sie zurückgehen. Das war die Mehrheitsentscheidung.
Und das wollt ihr durch schlechte Behandlung erreichen?
Man kann von schlechter Behandlung nicht sprechen. Das Essen, das dort anstelle von Geld ausgegeben wird, haben wir geprüft, und ich halte es für in Ordnung. Man hatte ja festgestellt, daß die Leute mit dem Bargeld andere Dinge kaufen, aber nicht dafür sorgen, daß ihre Kinder die Verpflegung bekommen, die sie brauchen.
Und dafür wollen jetzt die Grünen sorgen?
Das haben wir gemacht. Die Jugoslawen haben inzwischen Nachschlag gekriegt, sie haben neben Brot und Aufstrich auch Getränke und Obst zur Verfügung gestellt bekommen.
Doch abgesehen davon sollen die Roma ihr Leben nicht so gut einrichten können, daß es ihnen in Bremerhaven gefällt und sie bleiben wollen?
Was wir grundsätzlich diskutieren müssen ist die Frage: Wieweit können wir unseren Sozialetat belasten mit Leuten, die tatsächlich als sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge herkommen. Wir müssen die beiden Gruppen trennen: Die Leute, die hierher kommen, um abzustauben und nach kurzer Zeit wieder zurückzugehen und die Leute, die aus wirtschaftlicher Not, aus Kriegsgebieten oder aus politischen Gründen wirklich hier in unserem Land Asyl verdient haben.
Und wer soll entscheiden, wer zur einen und wer zur anderen Gruppe gehört?
Grundsätzlich entscheiden können das nur die zuständigen Stellen, also das Bundesamt in Zirndorf. Die Frage ist nur: Kann man einen solchen Prozeß abkürzen - d.h., daß wir nicht monatelang solche Leute hier auf Kosten der wirklich notleidenden Familien bezahlen müssen.
Fragen: Dirk Asendorpf
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