Militärhilfe für WAA Wackersdorf

Amtshilfeabkommen sieht den Einsatz von „Sanitätspanzern“ und Hubschraubern an der WAA vor / Bayerisches Innenministerium erklärt Demonstrationen zu „Naturkatastrophen“ oder „besonders schwerem Unglücksfall“ / „Verfassungsrechtlich höchst bedenklich“  ■  Von unseren Korrespondenten

Nürnberg/Berlin (taz) - Bei Demonstrationen an der Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf will die Bayerische Polizei verfassungswidrig grundsätzlich die Möglichkeit haben, auf dem Wege der Amtshilfe Hubschrauber und Sanitätspanzer der Bundeswehr samt soldatischem Personal anzufordern. Grundlage dafür ist ein Amtshilfeabkommen zwischen dem Bayerischen Innenminsiterum und dem Bundesverteidigungsministerium, nach dem die Bundeswehr zur „Aufklärung“ und „logistischen Unterstützung“ in Wackersdorf einspringen soll. Ein solches Eingreifen der Bundeswehr in innenpolitische Konflikte schließt die Verfassung der Bundesrepublik außer in streng geregelten Notstandssituationen ausdrücklich aus. In einem schon seit 1983 gültigen Standortbefehl des Verteidigungskommandos 621 in Amberg heißt es unter dem Titel „Amtshilfe beim Bau der Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf“: „Die Bundeswehr stellt im Wege der Amtshilfe bei Delikten schwerster Gewaltkriminalität und bei Demonstrationen zur Rettung verletzter Personen nach Möglichkeit Sanitätspanzer einschließlich Soldaten als Kraftfahrer zur Verfügung. Anforderungsberechtigt ist nur das Bayerische Staatsministerium des Innern Lagezentrum Bayern.“

1987 wurde diese Polizei-Militär-Connection in bezug auf Wackersdorf noch erweitert. Unter dem Stichwort „Betrifft Amtshilfeanträge der Polizei im Zusammenhang mit dem Bau der WAA Wackersdorf“ geht aus einer Dienstanweisung an die 4.Panzergrenadierdivision in Regensburg hervor, daß „für Transport oder Aufklärung“ auch Hubschrauber der Bundeswehr bei dieser Amtshilfe inbegriffen sein sollen. Entsprechende Amtshilfeersuchen seien an den „Offizier Führung“ weiterzuleiten. Entscheidungsbefugt, diesem Amtshilfeersuchen nachzukommen, sollen die Führungsoffiziere der Bundeswehr sein.

Bereits 1986 waren erste Vermutungen über ein Eingreifen der Bundeswehr in die Auseinandersetzungen um die WAA ruchbar geworden. Damals hatte Oberstleutnant Staude von 4.Panzergrenadierdivision Regensburg gegen einen Befehl, eventuelle Amtshilfeersuchen der Polizei an seine Vorgesetzten weiterleiten zu müssen, vergeblich Beschwerde eingelegt. Er sah in dem Befehl eine Beihilfe zu verfassungswidrigem Handeln.

Das bayerische Innenministerium und der Regensburger Generalmajor Barthel haben diese Amtshilfeabkommen, die die 'Mittelbayerische Zeitung‘ (MZ) am Wochenende veröffentlichte, inzwischen bestätigt. Die MZ zitiert dabei auch den Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium Würzbach, der die „logistische Unterstützung“ der Bundeswehr für die Polizei als „uralt geübte Praxis bezeichnet.“ Was jetzt als „uralt geübte Praxis“ bekannt wurde, halten... Fortsetzung auf Seite 2

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namhafte Juristen wie der hannoveraner Verfassungsrechtler Professor Peter Schneider für „verfassungsrechtlich höchst bedenklich“. Im Grundgesetz nämlich ist klar geregelt, daß die Bundeswehr nicht in innenpolitische Konflikte eingreifen darf, außer in Fällen des „inneren Notstandes“ zur „Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitlich demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes“. Dieser umstrittene „innere Einsatz“ der Bundeswehr ist nur auf Befehl der Bundesregierung und mit Billigung von Bundesrat und Bundestag möglich.

Zur Umgehung dieser Notstandsparagraphen hat man in Bayern jedoch offenbar einen anderen Dreh gefunden: den Artikel 35 des Grundgesetzes. Diese Artikel erlaubt die Amtshilfe des Bundesgrenzschutzes und der Bundeswehr „bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall“. Eine Demonstration, so Verfassungsrechtler Schneider, dürfte jedoch schwerlich eine „Naturkatastrophe“ sein. Auch die Voraussetzungen eines „besonders schweren Unglücksfalles“ erfüllten die Auseinandersetzungen in Wackersdorf wohl schwerlich.

„Verfassungswidrig und daher abzulehnen“ heißt es auch in den Richtlinien der Offiziersschule des Heeres auf die Frage, ob die Bundeswehr etwa bei einer Großdemonstration gegen eine Kernenergieanlage logistische Unterstützung leisten dürfe, wobei darunter nicht nur der Einsatz mit der Waffe verstanden werden sollte.

Im saarländischen Innenministerium überlegt man jetzt nach der Veröffentlichung dieses Amtshilfeabkommens, das Ganze auf die Tagesordnung der Innenministerkonferenz zu setzen. Dort allerdings, so ergaben jetzt Recherchen, ist das Thema in allgemeiner Form schon Anfang der 80er Jahre behandelt worden. Auf einer Sonderkonferenz der Länderinnenminister 1981 in Brühl verzeichnen die Beratungsunterlagen, daß das Innenministerium mit dem Bundesverteidigungsminsiterium erörtern solle, ob eine logistische Unterstützung der Bundeswehr bei „gewalttätigen Großdemosntrationen“ möglich sei. 1982 gab das Bundesverteidigungsministerium sein prinzipielles Einverständnis und 83 wurden die Rahmenvereinbarungen der Amtshilfe zwischen Polizei und Verteidigungsminsiterium präzisiert. 1986 bestätigte das Verteidigungsministerium auf eine Kleine Anfrage des SPD -Bundestagsabgeordneten Ludwig Stiegler hin, daß Bundesinnenminister Zimmermann 1985 die Amtshilfe der Bundeswehr für Polizeieinsätze rund um Wackersdorf beantragt und die Hardthöhe diesem Antrag zugestimmt habe. Dabei, so ergab die Anfrage, handele es sich z.B. um die zur Verfügungstellung von Unterkünften und Kasernen für die Polizei. Von einer Amtshilfe etwa mit technischem Gerät oder gar Sanitätsfahrzeugen war damals jedoch nicht die Rede, und personelle Unterstützung, wie sie jetzt Hubschrauberpiloten und Fahrer der Bundeswehr leisten sollen, schloß das Bundesverteidigungsministerium damals ausdrücklich aus. V.Gaserow, W.Gast, B.Siegler