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Polizisten meutern gegen „Flora“

Hamburger Polizeigewerkschaftsaktion auf dem Baugelände für Musicalpalast  ■  Aus Hamburg Kai Fabig

„Politiker brocken ein, wir löffeln aus“, steht auf einem Transparent am Bauzaun um Hamburgs umstrittenste Baustelle auf dem ehemaligen Flora-Gelände. Aber Hamburgs Polizisten mögen nicht mehr löffeln, und diese Suppe schon gar nicht. Die Perspektive, „heute den Bauzaun, morgen den Rohbau und übermorgen das Theater“ schützen zu müssen, gefällt ihnen bei jetzt schon 1,2 Millionen Überstunden im Jahr überhaupt nicht.

Aber nicht nur die Arbeitsbelastung ihrer Kollegen hat gestern morgen die Gewerkschaft der Polizei (GdP) dazu gebracht, ihre Pressekonferenz auf die Straße zu verlegen. Mit der Fassade des alten „Concerthaus Flora“ im Rücken, hinter der die „Abspielstätte“ für die neueste Produktion des Musicalpapstes Fritz Kurz entstehen soll, erklärten die Polizeigewerkschafter der Presseschar, um was es ihnen noch geht.

Sie hätten wichtigeres zu tun, als den „Prügelknaben für eine verfehlte Kultur- und Baupolitik“ zu spielen, sagten sie. Daß der politische Konflikt um die Musicalfabrik immer mehr auf das Problem gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Baugegnern verengt wird, ist dabei die Hauptsorge der GdP. Und eine polizeiliche Lösung des Problems könne es ohnehin nicht geben, so GdP -Geschäftsführer Erhard Pumm. „Wir sind hier nicht in Brokdorf, sondern mitten in der Innenstadt. Da kann die Polizei nicht so einen Zauber veranstalten wie auf dem platten Land.“

Jedenfalls nicht ohne Gesichtsverlust - und den befürchten viele Beamte vor Ort. Sie mußten sich in den vergangenen Monaten immer wieder lächerlich machen, wenn sie dafür sorgten, daß keine unbotmäßigen Fußstapfen in abbindendem Beton hinterlassen wurden, oder - zum Schutz der inneren Sicherheit - Besucher der regelmäßig aufkochenden Volksküche samt Teller auf die andere Straßenseite getragen wurden. Besondere Empörung löste bei den Männer in Grün allerdings aus, daß sie das widerrechtliche Abholzen einer 100jährigen Linde geschützt hatten.

Wenn an diesem Morgen auch die Forderung „Wir möchten überzeugt sein von dem, was wir tun“ am Bauzaun zu lesen war, so kann man vermuten, daß der Musicalpalst auch unter den Polizisten nicht allzuviele Freunde hat. Pumm gegenüber der taz: „Sie können davon ausgehen, daß wir nicht himmelhoch jauchzend hinter diesem Projekt stehen.“

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