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Neues aus der Mattstraße

Früh am Morgen in der Medchenredaktion: Die beliebten Mitarbeiter Herr Alisch („Porno-Torsten“) und Herr Dr. Seltsam („Der Stalin von Bad Schwartau“) üben sich unabhängig voneinander in der Hochkunst des Redakteursquälens, während Herr Kotte, der vielversprechende Praktikant, in einer Ecke an seiner Justus-Frantz-Eloge GRÖFRANTZ schnitzt. „Engholm? Der stadtbekannte Galeristinnenficker!“ , jault jäh und wie gepeitscht Herr Seltsam auf, als er den Namen des SPDisten im Text des Nachwuchsjournalisten entdeckt, Schreib das auf, Mann! Das weiß da oben jeder. Starres Entsetzen in den Augen, wirft Herr Kotte seinen juvenilen Leib über die Schreibmaschine, um den Text gegen die drohende Okkupation zu schützen. Hilfesuchend bohrt sich sein Blick in den Halbredakteur, der ritterlich einschreitet und Herrn Seltsam mit einem harschen Schluß jetzt, Marmeladenstalin! strikt Einhalt gebietet, derweil Herr Alisch nervös in der 'TV Hören und Sehen‘ der übernächsten Woche herumwühlt und -fingert, wie immer auf der Suche nach einer kritikwürdigen Sendung, möglichst über linke Eltern, Pädagogen und andere Perverse.

Abgeschmettert Und Barschel hat doch recht maulend, zieht nun Herr Seltsam ein handgeschriebenes Manuskript aus der Tasche, das er gerne im Blatt gedruckt sähe. Wie üblich ist es ein Riesenriemen, unter fünf Seiten fängt der Doktor gar nicht erst an. Dem Halbredakteur obliegt es nun, das Texttrumm auf die Wucht eines Haikus zusammenzustreichen. Inzwischen hat Herr Kotte seine Arbeit erfolgreich abgeschlossen und zur möglichst wohlwollenden Begutachtung vorgelegt, auch Herr Zicke Zacke von den Sportlern schaut auf einen Sprung herein und legt einen Text ab, das Telefon klingelt, Herr Richter am anderen Ende der Leitung heischt Lob und Hudel für seinen letzten Achtzeiler, Ganz große Klasse. Astrein, hört sich der Halbredakteur zu seiner grenzenlosen Verwunderung sagen, wodurch sich Herr Seltsam dazu bemüßigt fühlt, nun seinerseits noch einmal nachzufragen, ob nicht nach seinem letzten genialen Streich die Staatsanwaltschaft ... nein? ... nicht? ... komisch ... versteh ich gar nicht, auch Hör-Funker Uwe Pralle möchte eines seiner gefürchteten Zweistunden-Telefonate führen, mmmh... jaah... mmmh-brummelnd legt der Halbredakteur den Hörer in die Schublade, schlägt die mürben Hände über dem Kopf zusammen, und dann verließen sie ihn.

Drostojewski

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