Frisches Grünzeuch für Pusdorf

■ 19. Bremer Wochenmarkt in Woltmershausen eröffnet / Notwendige Belebung für einen Stadtteil im Abseits / Wenig Platz für das Experiment / Lückenfüller für alte Markthasen / Marktleiter setzt auf Qualität statt auf Billig-Textilien und Schnickschnack

„Dascha fast wie Freimaak!“ freut sich ein stoppelbärtiger „Pusdorfer“ über den ungewohnten Trubel an der Woltmershauser Straße. Ein beleibtes, etwa 40jähriges Paar ist ganz anderer Meinung: „So'n Schwachsinn“, schimpft der Gatte und schleppt vollgestopfte Tüten mit dem Aufdruck eines benachbarten Supermarktes durch das Gewühl. Doch die beiden Dicken stehen mit ihrer Ablehnung allein da. Die meisten PusdorferInnen sind mit dem Experiment zur Belebung ihres Stadtteils sehr einverstanden. „Fabelhaft“, schwärmt eine Grauhaarige und stippt die Roßwurst in den Mostrich. Seit gestern gibt es an der Ecke Woltmershauser und Dötlinger Straße Bremens 19. Wochenmarkt. Jeden Freitag zwischen 7 und 12.30 Uhr bieten künftig sieben HändlerInnen Käse, Geflügel, Brot, Kuchen, Obst und Blumen feil.

Der Auftakt ist vielversprechend. Eigentlich verdient seine Firma ja im Brilltunnel ihr Geld.

Aber bei der Eröffnung des Pusdorfer Marktes wollte der Senior unter Bremens Marktleuten, der „Aalonkel“, nicht fehlen. Der betagte Fischhändler mit dem weißen Seemannsbart schenkt Schnaps und Sekt zugunsten der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger aus. Auf der Tafel, wo sonst Sonderangebote stehen, hat der Aalonkel geschrieben: „Seid nett zueinander.“ Und die Aale? „Dat is vörbi, de hebb ick föftig Johr verköfft, min Jung!“ erfährt der taz-Aushilfsreporter. Nebenan schmettert ein „Onkel Heini“ Seemannslieder im Wettstreit mit einem Orchester vom Tonband. Warteschlangen von polnischen Dimensionen haben sich am Stand mit „Roß-Spezialitäten“ gebildet. Die starke Nachfrage kann sich die Gruppe von BiertrinkerInnen auf dem kleinen Mäuerchen gut erklären: „50 Roßbratwürste für 15 Mark - wo kriegen Sie das sonst?“

Die Marktstände drängen sich

an den Rand einer tennisplatz großen Grünanlage, die vorerst für die Marktbezieher tabu ist. Ein enges Provisorium - wenn der Markt „angenommen“ wird,

soll sich die kleine Grünfläche zum richtigen Markt-Platz mausern. Bis heute fehlt dem Stadtteil Woltmershausen ein attraktiver Mittelpunkt. Erst vor zwei Jahren

hatten Banausen das Pusdorfer Wahrzeichen, den rotweiß karierten Gasometer, abgerissen. In der Optik der Rest -BremerInnen ist das Gebiet jenseits der Unter

führung der Oldenburger Bahn ohnehin eine Art Entwicklungsland. In „Pusdorf“, da wohnt man einfach nicht.

Der neue Wochenmarkt soll dazu beitragen, den Stadtteil aus dem Abseits herauszubringen. Alle HändlerInnen, die in Pusdorf ihre Stände aufgebaut haben, sind erfahrene Marktleute. Hauptmarkttage sind in Bremen traditionell Dienstag, Donnerstag und Sonnabend. Da hatten einige Höker noch den Freitag übrig, um in Pusdorf mit einzusteigen. „Wir haben uns die besten Leute ausgesucht“, sagt Marktmeister Erich Thiemann stolz. „Auf den Wochenmärkten läuft das Geschäft nur mit Qualität.“

Organisator im Auftrag der Stadt ist die Großmarkt Bremen GmbH. Sie ist in Pusdorf abgerückt von ihrem Konzept, neben den traditionellen Lebensmittelständen auch HändlerInnen mit Billig-Textilien und allerhand Schnickschnack zuzulassen.

„Die Idee zu dem Wochenmarkt kam von uns“, erzählt Ortsamtsleiter Klaus Rosebrock. Das Quartier kann diesen Attraktivitäts-Schub gut gebrauchen. Immer mehr Einzelhändler machen dicht, die Woltmershauser Straße ist alles andere als ein Boulevard. Gegenüber vom neuen Märktchen ducken sich einstöckige Bremer Reihenhäuser unter dem Lärm der Straße. Von „Petras Sonnenstudio“ strahlt eine große gelbe Sonne auf braunem Grund. Die Schaufenster eines leeren Ladens gähnen die PassantInnen an. Ein Supermarkt hatte dort Umsatz machen wollen - ein Reinfall. „Da kommt wohl nun 'ne Spielhalle rein“, vermuten Nachbarn.

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