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Pilot Luo-No und die Luftnüsse

Erste Weltmeisterschaft im Zeppelinfliegen / Luftschiffer sind Profis oder Millionäre / Kaffee und Gas treiben Mensch und Maschine durch einen stressigen, mehrtägigen Wettbewerb  ■  Aus Luxemburg B. Müllender

Ein Luftschiff anno '88 muß man einfach mal gesehen haben. Daß so etwas überhaupt fliegt! Daß es Leute gibt, die so abgrundtief vernarrt sind in diese ausgetüftelten Maschinen mit dem archaischen Aussehen. Jetzt brummten die Heißlüfter in Luxemburg sogar ihren ersten offiziellen Weltmeister aus. Und da waren's 16 solcher Zeppeline auf einen Streich, soviel wie nie zuvor auf der Welt.

Samstag morgen bei Sonnenaufgang: Start auf einer großen Wiese über den noch tief vernebelten Tälern. Es ist die vorletzte von 18 Prüfungen. Erst um fünf Uhr früh hatten die Teilnehmer aus neun Ländern die Aufgabe gestellt bekommen: ein Dreiecksflug auf Geschwindigkeit mit Zielabwürfen von Markierungsfähnchen. Start frei, und da heizen sie, und pumpen die Hüllen lautstark mit Propangasflaschen voll, und propellern beneidenswert in die Höhe, verschwinden hinter einer Waldkette, tauchen irgendwo wieder aus dem Dunst, feuern ihrem Gefährt eine nach der anderen, ziehen an Ruderstrippen und Lenkleinen, und dürfen dabei nie die Orientierung verlieren.

Guy Moyano aus Luxemburg ist (Heimvorteil!) der Flinkeste, und überrundete zusammen mit dem Schweden Lindström den die ganze Woche führenden Favoriten aus Aachen, Mucky Busemeyer.

Früher verglich man Zeppeline mit Zigarren, heute ähneln die wendigen ein- und zweisitzigen Getüme in ihrer bauchigen Form mehr einer gigantischen, lufttauglichen Erdnuß oder einer Riesenpflaume.

Nach gut einer Woche sind den Crews die Strapazen ins Gesicht geschrieben. Überall tiefliegende Augen bei Piloten und Helfern. Jeden Morgen um vier aus dem Bett, 'ran an den Start, auch mittags und am frühen Abend, zum zweiten Tageswettbewerb. Schuld daran ist die gnadenlose Meteorologie unserer Breiten, wo es tagsüber meist zu windig ist. So spielt den Luftschiffern genau das Element einen Streich, das ihren Sportspaß erst ermöglicht. Literweise schwarzer Kaffee ist daher als Treibstoff so wichtig wie Gas für den Brenner. Welch andere Disziplin verlangt schon soviel schlafarmen Dauerstreß?

So manche nennen sich schlicht „heißluftverrückt“, wie der Aachener Busemeyer. Es ist ihr Hobby und auch ihr Beruf: sie leben von Passagierfahrten und Werbung mit ihren Ballonen. Andere, wie etwa der Bielefelder Autoverleiher Helmut Meyer, sind einfach Millionäre und stellen sich statt des Drittwagens eben einen Zeppelin für 150.000 Mark in die Garage.

Besonderes Interesse erregt in Luxemburg das achtköpfige feuerbejackte Team des chinesischen Chefpiloten Ji-bo Luo -No. Dessen viersitzige Selbstkonstruktion Bee 6 war vorher (s. taz v. 29.7.) in grober Unkenntnis mit einem Paddelboot verglichen worden. Doch als die Beijinger Aeronautic-Ingenieure nach vier Tagen Verspätung in die Titelkämpfe eingriffen (auf dem Transsib-Trip per Bahn waren Ost-Berliner Zöllner ob des Gefährts in tiefes, preußisches Mißtrauen gefallen), bewies der Augenschein: bei der Pilotengondel handelte es sich mehr um eine flugfähige Seifenkiste.

Das hübsche Aul-Weißblech-Modell von Luo-No & Co sauste jedoch munter mit, punktete fleißig und hätte sich ohne die ärgerliche Verspätung sicher im oberen Drittel plaziert. „Einfach obererstaunlich“ befand Profi Busemeyer die chinesischen Bau- und Flugkünste. Stolz konnten die Chinesen berichten, daß sie mit ihrem 33-Meter-Schiff schon kilometerweit Stromkabel durch unwegsame Gebirge verlegt, Vermessungsfotografien und wissenschaftliche Experimente gemacht und von oben den Film „Sun Yat-Sen“ gedreht hätten.

Allzu ernst geht es auch bei einer WM nicht zu. Man tauscht technische Erfahrungen, hilft schon mal mit Ersatzgas aus, spioniert aber auch ganz legal hinter den neuen Tricks der Konkurrenz her. Nur Meyer zu Bielefeld argwöhnte einem Fernsehreporter gegenüber nach zwei Pannen an der Wasserpumpe ernsthaft Sabotage. Zwischendurch war am Donnerstag ein Amerikaner zu einem neuen Zeppelin-Weltrekord von 5.800 Meter aufgestiegen, während ein Landsmann viel weiter unten in eine Baumgruppe raste. Beide blieben heile.

Finale: Dem Favoriten geht

die Luft aus

Dramatik dann am Samstag abend beim Finale. „Le Mans-Start“ von 16 der umhüllten Luftblasen in einer Reihe. Busemeyer ist kurz nach dem Lostuckern schon wieder am Boden. Indes hatten sich nicht seine stets fahrlässig weit herausbaumelnden dürren Beine verheddert - dank dieser Extrem-Extremitäten konnte er am Mittwoch einen Motorschaden noch oben binnen zweier Minuten beheben -, es war nur ein simples Leck. Das Nylon schmorte, die Luft entwich zusehens. Zum Glück war dieses pyrotechische Mißgeschick nicht in hindenburgischen Höhen passiert.

Weltmeister wurde schießlich Oscar Lindström nylondünn vor Guy Moyano, Busemeyer stürzte auf Platz 6. Die technische Entdeckung aber blieben die Chinesen (12.), die ruhig und gleichmäßig mit ihrer schweren, aber langen Fahrergondel dahinflogen. Wie sehr eine langgestreckte Konstruktion für aerodynamische Stabilität sorgt, das wunderte die Heißluftbastler '88.

Ein Problem aber wird das Blechschiff nur dann, wenn es nicht im privaten Autoanhänger zu Meisterschaften reisen kann, sondern mit dem öffentlichen Verkehrsmittel transsibirische Eisenbahn daherkommen muß.

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