: Hör-Funken: "Menschen und Paragraphen: Wenn Frauen aus der Rolle fallen..."/"Erfolg" von Lion Feuchtwanger
(„Menschen und Paragraphen: Wenn Frauen aus der Rolle fallen...“, SFB 1, 1905 - 1930) Für die Bundesanwaltschaft gibt es „anschlagsrelevante“ Themen wie Gen- und Reproduktionstechnologie, Bevölkerungs- und Asylpolitik, die von Bundeskriminalamt und Bundesanwaltschaft mit ausgedehnten Durchsuchungsaktionen und vorbeugender Einschüchterung bestraft werden und genau deshalb auch „anschlagsrelevant“ sein müssen: Wer sich damit befaßt, provoziert über den §129a (Unterstützung bzw. Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung) relevante Taten der institutionellen Vereinigungen. Ingrid Strobl und Ursula Penselin sind seit sechs Monaten in solchen „Zusammenhängen“ in Untersuchungshaft, nach drei weiteren Frauen und einem Mann wird gefahndet. Verdachtsmomente gegen alle: Treffen in Gruppen und Wohnungen, für die das Bundesanwaltsvokabular das Allerweltswort „konspirativ“ bereithält, der Kauf von Weckern, die bei Anschlägen von „Revolutionären Zellen“ oder der „Roten Zora“ benutzt worden seien oder benutzt werden sollten, was einem Wecker sicherlich auf dem Ziffernblatt geschrieben steht. Nicht unbegabt im Basteln an Weckern und der Wahrheit, präparierten Staatsschützer diese Wecker so vorsorglich wie sie zur Tat schreiten, wenn heikle Themen nicht im Rahmen der bundesanwaltschaftlichen Rechts- und Strafordnung freiwillig fallengelassen werden: Gitti Hentschels Bericht nimmt das Verdachtsflickwerk dieser Fälle unter die Lupe und denkt über das vom §129a geplagte Gesinnungsleben nach. Für dieses gilt: Augen auf beim Weckerkauf und sich gründlich vorher befragen, ob keine Herrn Rebmann auf den Wecker gehenden Themen gedacht wurden. Sonst klingelt eines Tages der Wecker, und die Augen öffnen sich im U-Knast.
(„Erfolg“ (2), Hörspiel nach Lion Feuchtwanger, SWF 1, 2005
-2140) Das Hitler-Portrait in Feuchtwangers Roman von 1930, inmitten des Tümpels brütender Kleinbürgerlichkeit und amokläuferischer völkischer Stimmungen Münchens in den zwanziger Jahren, vergaß Hitler Feuchtwanger nie, der auf den Greiflisten der Gestapo ganz oben stand. „Erfolg“: Der politisch querliegende Subdirektor der Staatlichen Bildersammlung wurde von den reaktionären Gegnern in einen Meineidsprozeß verwickelt und zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. Seine Freundin Johanna Krain, der Anwalt Geyer und der Schriftsteller Tüverlin kämpfen unverdrossen um seine Freilassung. Der gesamte Pfuhl biedermännischer Gewaltjuristen, opportunistischer Bürgersleute, eifernder Führer der Kleinbürgerei ist in Feuchtwangers Schlüsselroman über die Zeit freigelegt. Der zweite Teil des vierteiligen Hörspiels in der Produktion von 1984 heute: „Spaß, Sport, Spiel“.
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