Abschlachtprämie für Bauern

■ Frührente für aufgebende Landwirte / Intensivlandwirtschaft neben Naturschutzparks

Berlin (taz) - Aufgeben müssen sie alle, die kleinen Höfe. Allein die Frage wann und wie wird für den einzelnen zur kniffeligen Rechenaufgabe. Dieses Bild vermittelt der jetzt vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzentwurf für eine Produktionsaufgaberente. Danach können Landwirte vom 58. Lebensjahr an eine Frührente erhalten, wenn sie ihre Flächen verpachten, verkaufen oder stillegen, indem sie zum Beispiel eine Wiese einsäen.

Für den Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) bedeutet diese Maßnahme eine „Abschlachtprämie für Bauern“. Die Entscheidung verstärke umwelt-, bauern- und verbraucherfeindliche Strukturen, erklärte der Vorsitzende Hubert Weinzierl.

Die Aufgaberente überschneidet sich zum Teil mit anderen Programmen, die das Schrumpfen der Höfezahl beschleunigen sollen. Die bereits vor zwei Jahren eingeführte Milchrente können Bauern bekommen, wenn sie das Recht auf Milchproduktion wieder abgeben, daß ihnen der Bund vorher zugeteilt hat. Eine weitere Zahlung für Nicht-Produktion beschloß die letzte EG-Ministerrunde. Für die zur Zeit in den einzelnen Bundesländern anlaufenden Anmeldeverfahren für die Flächenstillegung gibt es bereits erste Zwischenbilanzen: In Bayern meldeten bisher rund 1500 Landwirte rund 25000 Hektar zur Stillegung an, darunter viele Kleinbauern.

In Brüssel werden die Beschlüsse über Flächenstillegungen und Preissenkungen als Wende in der Agrarpolitik gefeiert. Das neueste Vorschlagspaket der EG-Kommission mit dem Titel „Die Zukunft der bäuerlichen Welt“, das jetzt die Agrarminister beraten müssen, läuft auf eine Zweiteilung dieser Welt hinaus. Bei einer Öffnung der EG-Grenzen und Abbau der Subventionierung sollen die einen Landwirte weiter intensivieren und mit den großflächig produzierenden Agrarbetrieben in den USA konkurrenzfähig werden. Die anderen sollen sich staatlich gestützt der Aufforstung maroder Wälder, dem Tourismus und der Bilderbuchlandwirtschaft widmen, wenn sie nicht in andere Berufe abwandern können. Verbraucher und Steuerzahler sparen dadurch angeblich viel Geld.

Die Rechnung ist ohne die Nordsee gemacht. Was nützt die schönste Sommerwiese auf einer stillgelegten Fläche, wenn der Nachbar mit intensiver Schweinemast Boden, Luft und vor allen Dingen das Wasser verseucht? Der BUND fordert statt ökologisch fragwürdigen Stillegungen als „grünem Mäntelchen“ der Produktionsaufgabepolitik eine umfassende Extensivierung der Produktion. Als Soforthilfe schlägt er statt dessen eine Steuer auf Stickstoffdünger sowie ein Verbot von wassergefährdenden Pestiziden wie Atrazin und von Halmverkürzern vor. Halmverkürzer sind Spritzmittel, durch die Getreidehalme kürzer und dicker werden. Das vergiftete Stroh darf nicht an das Vieh gegeben werden.

Die von Umweltschützern geforderten Beschränkungen für Chemikalien würden auf der selben Fläche weniger wachsen lassen. Das bedeutet auch weniger Einkommen, wenn die Preise gleich bleiben. Um durch solche Maßnahmen das Höfesterben nicht zu beschleunigen, schwebt Umweltschützern und alternativen Bauernvereinigungen auch kein Abbau, sondern eher eine Umschichtung der Subventionen für die Landwirtschaft vor, wobei die einen das Augenmerk stärker auf ökologisch wirtschaftende, die anderen mehr auf Kleinbetriebe richten.

Den Großbetrieben in Amerika kann man mit solchen Rezepten natürlich keine Konkurrenz machen. Statt einer Liberalisierung des Welthandels könnte die EG bei Verhandlungen nur anbieten, daß sie den Weltmarkt nicht mehr mit ihren Überschüssen belastet. Auch den Verbrauchern würden die verlockenden Prämien einer Zwei -Klassenlandwirtschaft nicht mehr winken: Sinkende Nahrungsmittelpreise und Subventionszahlungen.

Es ist aber eine politische Entscheidung der Wähler, ob sie lieber etwas mehr für Eier, Fleisch und Brot ausgeben wollen, oder ob sie lieber mit einer zerstörten Nordsee und chemisch belasteten Nahrungsmitteln leben wollen, für die sie dann über Sanierungsmaßnahmen und Krankheit im Nachhinein zahlen.dita