Was heißt „Hilfe“ auf chinesisch

■ In der Fachhochschule für Sozialarbeit findet zur Zeit eine Internationale Konferenz mit dem Thema „Nachbarschaftsheime als Brücke zwischen Kulturen“ statt / Sozialarbeiter aus der ganzen Welt diskutieren über Probleme von Minderheiten / Unterschiedliche Schwerpunkte

Die nationalen Charakteristika sind selbst bei solchen Sozialarbeitern unverkennbar, die täglich mit ethnischen Minderheiten zu tun haben. So will ein deutscher Teilnehmer auf dem Kongreß der „Internationalen Föderation der Sozial -Kulturellen Nachbarschaftszentren“ vor allem etwas über die Zusammenhänge zwischen Rassismus und Faschismus erfahren, während die britische Organisation BASSAC nach praktischen Lösungen bei rassistischen Konflikten je nach Einzelfall sucht. Das amerikanische Nachbarschaftsheim hätte sein Selbsthilfeangebot für chinesische Einwanderer nicht kleinteilig konkreter erläutern können. Das deutsche Projekt umreißt hingegen erst einmal an der Tafel die Kategorien „politische Flüchtlinge - wirtschaftliche Flüchtlinge Migranten - Immigranten“.

Gerade der Vergleich mit den hiesigen Schwerpunkten der Sozialarbeit macht die Konferenz, die unter dem Motto „Nachbarschaftsheime als Brücke zwischen Kulturen“ läuft, so interessant. So ist zum Beispiel einer der Schwerpunkte des seit 90 Jahren existierenden Hamilton-Madison-House in der New Yorker Lower East Side neben Kinderbetreuung oder Beschäftigungsprogrammen für arbeitslose Jugendliche ein spezielles Angebot gegen Geisteskrankheiten bei Asiaten.

Daß die Amerikaner stärker als Deutsche die Notwendigkeit des Kampfes gegen Geisteskrankheiten sehen, hängt zum einen damit zusammen, daß Nervenkranke dort nicht so schnell in Anstalten gesteckt werden und daher im Stadtbild sehr viel öfter auftauchen. Zum anderern ist die Wahrnehmung von dem, was als geisteskrank gilt, dort offenbar anders und es scheint außerdem Probleme zu geben, die hier nahezu unbekannt sind.

Die chinesische Sozialarbeiterin Susan Chan begründet das Programm-Angebot für geisteskranke Asiaten unter anderem mit den hohen Selbstmordraten unter koreanischen, vietnamesischen oder chinesischen Einwanderern. Krankheiten würden von Chinesen als berechtigtes Schicksal aufgefaßt. Die Krankheit des Einzelnen werde tabuisiert, denn sie sei eine Schande für die ganze Familie. Manche Krankheiten würden auf diese Weise über zehn Jahre verschleppt. Susan Chan spricht von einer Frau, die auf diese Weise paranoid geworden und später mit ihrem zwei Jahre alten Kind auf dem Rücken vom Dach des Hauses gesprungen sei.

An Asiaten heranzukommen, erweist sich für nicht-asiatische Sozialarbeiter als sehr schwierig. Chinesen mißtrauten „aus guten Gründen“ - so Susan Chan - allen Autoritäten. Wichtigste Voraussetzung der 120 Mitarbeiter ist, daß sie zweisprachig sind, das heißt Englisch können und noch eine der Minderheiten-Sprachen in der Lower East Side. Das Hamilton-Madinson-House richtet sich neben Asiaten auch an Schwarze, Italiener oder Lateinamerikaner.

In den Tai-Chi-Kursen, in denen es übrigens nicht nur um körperliche Bewegung gehe, sondern selbstredend auch um die geistige Gesundheit, sehe man Koreaner zusammen mit Italienern, Schwarzen oder Puerto Ricanern die Übungen machen.

E.K.