: Rechte beklagen Rechtsradikalismus
■ Wie in der Jungen Union die Betonriege um den Landesvorsitzenden und Südafrikafahrer Gunnar Sohn Politik betreibt: mit Intrigen, falschen Beschuldigungen und Einschüchterungen / Der Rechtsradikalismus-Vorwurf dient als Mittel zum Machterhalt
Am 26.Juni 1988 tagten Delegierte der rechtsextremen Deutschen Volksunion im Gebäude des Internationalen Kongreßzentrums Berlin. Das Gelände war hermetisch abgeriegelt; junge Deutsche mit kurzgeschorenenem Haar schützten den Eingang des Tagungsortes vor Demonstranten, die auf dem gegenüberliegenden Platz gegen die Raumvergabe an die Faschisten protestierten. „Kann ich mein Auto denn hier in der Tiefgarage abstellen, oder kommen die Chaoten da auch hin?“ fragte eine deutsche Frau mit besorgter Stimme einen DVU-Ordner. Die Tiefgarage war sicher. Dafür sorgten nicht nur zwei Hundertschaften der Polizei; dafür sorgte unter anderem auch Heiko Luge, Skinhead und Mitglied des CDU -Ortsverbandes Neu-Tempelhof sowie der Jungen Union. Heiko Luge war bis 1986 stellvertretender Kreisvorsitzender der Tempelhofer Jungen Union und dort für „Grundlagenarbeit und längerfristige Planung“ zuständig.
Die Tempelhof-Connection
Luge wird der Seilschaft von Lutz Gutowski - der vor einiger Zeit wegen Rechtslastigkeit aus der CDU-Fraktion der BVV in Tempelhof ausgeschlossen wurde - zugerechnet. Die beiden verbindet nicht nur eine jahrelange gemeinsame Arbeit im dortigen Vorstand der Jungen Union . Heiko Luge entlastete seinen Parteifreund Lutz Gutowski auch schon vor einem Parteigericht. Gutowski, Anhänger der stramm-rechten Betonfraktion, mußte sich damals wegen des angeblichen Singens des Horst-Wessel Liedes während einer JU-Fahrt nach Oldenburg verantworten. Die Staatsanwaltschaft, die damals ermittelte fand keine Belastungszeugen und stellte das Verfahren ein.
Lutz Gutowski und Heiko Luge sind nun wieder in einen Fall verwickelt, der scheinbar mit Rechtsextremismus in der Jungen Union zu tun hat: In der Silvesternacht 1986/87 soll eine Gruppe von Jungunionisten auf einer Silvesterparty „Sieg Heil“ gerufen, das Horst-Wessel Lied und ein anderes volksverhetzendes Lied gesungen haben. Diesmal aber sind die Rollen vertauscht: Ausgerechnet die beiden Rechten werfen drei „Parteifreunden“ Rechtsradikalismus vor. Freilich geht es auch nicht um eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit rechtsextremistischen Vorfällen'sondern ausschließlich um Machterhalt: Das zeigen die Mittel, mit denen dort „gearbeitet“ wird.
Hintergrund des merkwürdigen Vorgangs ist nämlich der JU -Machtkampf um Tempelhof.
Der JU- Kreisverband gilt als „Zünglein an der Waage“ wenn Tempelhof den Vertretern der JU-Beton-Riege, die dort das Sagen haben, verlorengeht, ist zugleich die Mehrheit für den Führer der Betonisten, den Landesvorsitzenden Gunnar Sohn, in Gefahr. Diese Gefahr bestand besonders im Herbst 1987 - kurz vor der Landeskonferenz, auf der Sohn zum neuen JU-Chef gekürt wurde. Einer der Angeschuldigten, Oliver Genz, äußert sich dazu in einem Schreiben an das Amtsgericht Tiergarten: Die Vorwürfe wurden nicht etwa Anfang Januar 1987 erhoben, sondern erst am 10.9.1987 - zwei Tage vor der Hauptwahlversammlung der Jungen Union Tempelhof. Damit sollte die Wiederwahl des damaligen Kreisvorsitzenden und meine Wahl in den Kreisvorstand verhindert werden. Daß diese Methode (Mitglieder als rechtsradikal zu verleumden) auch diesmal funktionierte, wundert nicht, da auf ähnliche Weise schon oft Einfluß auf Vorstandswahlen genommen worden ist.
Neben Genz bestreiten auch die beiden anderen Angeklagten die ihnen zur Last gelegten Taten vehement. Ein JU -Funktionär, der abgewählt wurde, weil er angeblich gegen die Vorfälle nichts unternommen habe, ging sogar soweit, die „Belastungszeugen“ wegen „übler Nachrede und Verleumdung“ anzuzeigen.
Wie eine Intrige organisiert wird
Am 23.April dieses Jahres veranstaltete ein Schöneberger JU -Mitglied eine „Tequila-Party“. Mitten im Getümmel wurde Joachim Schmidt, Vorsitzender der Neuköllner Schülerunion, vom Schöneberger Parteikollegen Thomas B. angesprochen, ob er sich nicht mal „die NPD angucken“ wolle. Joachim Schmidt, der sich übrigens gegen die Südafrika Reise der JU ausgesprochen hat, zur taz: „Mir kam das komisch vor. B. hat mir gesagt, da wäre nichts dabei, und er hätte das auch schon öfters gemacht. Er hat mir gesagt, daß das ein Auftrag seines Kreisvorsitzenden Mathias Möhring sei, die NPD auszuspionieren.“ Schmidt ging mit, „aus Interesse“, wie er sagt.
Für Schmidt sollte der „Organisationsauftrag“ ein Nachspiel haben. Denn Möhring, der zur Betonriege gehört und als Schöneberger Statthalter von Gunnar Sohn gilt, entfachte daraus zusammen mit dem Neuköllner JU-Chef Andreas Baucik auch ein Intimus von Sohn - und dem bis zum April 1988 amtierenden BSU-Landesvorsitzenden Michael Hauke eine Kampagne gegen Schmidt, die in einem noch laufenden CDU -Parteiordnungsverfahren gipfelte.
Gunnar Sohn droht
Schmidt fühlt sich, genauso wie der Tempelhofer Oliver Genz, als Opfer einer von den Betonisten inszenierten Intrige. Der Hintergrund: Im letzten Herbst, als Michael Hauke vom Neuköllner SU-Chef zum Landesvorsitzenden aufstieg, wurde Schmidt von Hauke angesprochen, ob er nicht sein Nachfolger werden wolle. Schmidt sagte zu. Was er nicht wußte: Daß Hauke ihn hofierte, war eine Notlösung. Der eigentliche Wunschkandidat der Betonisten stand für eine Kandidatur zunächst nicht zur Verfügung. Erst zwei Tage vor den Wahlen signalisierte dieser Kandidat seine Einwilligung. Schmidt wurde bedrängt, zurückzustecken, lehnte ab und wurde gewählt. Von da an hatte er nichts mehr zu lachen. Vor allem Michael Hauke hätte gegen ihn gearbeitet, berichtet Schmidt. Hauke fürchtete um seine Mehrheiten in der Schüler Union. Mit gutem Grund: Im April wurde er abgewählt; die Betoner hatten damit eine ganze Organisation verloren. An seine Stelle trat Michael Groß, der als gemäßigter Konservativer gilt.
„Wenn Du nicht freiwillig zurücktrittst, werden wir andere Maßnahmen ergreifen!“ Diese Drohung, so erinnert sich Schmidt, habe Gunnar Sohn im Frühjahr gegen ihn ausgesprochen. Kurze Zeit später hatte der mißliebige Funktionär das Parteiordnungsverfahren am Hals.
Hauke sollte nun, so wird gemunkelt, Schmidt nach dem Willen von Sohn und Baucik in Neukölln wieder ablösen. Das ging aber nur mit einer Mitgliederversammlung. Baucik und Hauke sammelten also Unterschriften, um ein Treffen zu erwirken. Dann riefen sie den neuen BSU-Chef, Markus Groß an: Groß aber willigte nicht ein, - er war auch aus satzungsmäßigen Gründen gar nicht dazu berechtigt. Die Betonisten störte das nicht: Sie formulierten einen Brief an die Mitglieder, fälschten die Unterschrift von Groß und luden ein. Groß, der den Braten roch, lud wieder aus und hat die Sache jetzt seinem Anwalt übergeben.
Gleichzeitig versuchten Baucik und Hauke, Schmidt persönlich dazu zu „bewegen“, die Mitglieder zu versammeln. „Sie trommelten an meiner Haustür“, berichtet Schmidt, hielten ihm die Unterschriften hin: „Wir haben gesammelt, Du mußt einladen!“ Das war falsch. Baucik und Hauke hatten 24 Unterschriften - 27 wären nötig gewesen. „Dann hab ich sie aufgefordert, zu verschwinden. Stattdessen stellten sie einen Fuß in die Türangel und drückten dagegen.“ Schmidt erstattete Anzeige wegen Hausfriedensbruch. Die Revanche: Den Laden der Jungen Union Neukölln darf er nicht mehr betreten - Hausverbot.
Claus Christian Malzahn
FORTSETZUNG VON SEITE 17
den Gunnar Sohn, in Gefahr. Diese Gefahr bestand besonders im Herbst 1987 - kurz vor der Landeskonferenz, auf der Sohn zum neuen JU-Chef gekürt wurde. Einer der Angeschuldigten, Oliver Genz, äußert sich dazu in einem Schreiben an das Amtsgericht Tiergarten: Die Vorwürfe wurden nicht etwa Anfang Januar 1987 erhoben, sondern erst am 10.9.1987 - zwei Tage vor der Hauptwahlversammlung der Jungen Union Tempelhof. Damit sollte die Wiederwahl des damaligen Kreisvorsitzenden und meine Wahl in den Kreisvorstand verhindert werden. Daß diese Methode (Mitglieder als rechtsradikal zu verleumden) auch diesmal funktionierte, wundert nicht, da auf ähnliche Weise schon oft Einfluß auf Vorstandswahlen genommen worden ist.
Neben Genz bestreiten auch die beiden anderen Angeklagten die ihnen zur Last gelegten Taten vehement. Ein JU -Funktionär, der abgewählt wurde, weil er angeblich gegen die Vorfälle nichts unternommen habe, ging sogar soweit, die „Belastungszeugen“ wegen „übler Nachrede und Verleumdung“ anzuzeigen.
Am 23.April dieses Jahres veranstaltete ein Schöneberger Junge Union-Mitglied eine „Tequila-Party“. Mitten im Getümmel wurde Joachim Schmidt, Vorsitzender der Neuköllner Schülerunion, vom Schöneberger Parteikollegen Thomas B. angesprochen, ob er sich nicht mal „die NPD angucken“ wolle. Joachim Schmidt, der sich übrigens gegen die Südafrikareise der JU ausgesprochen hat, zur taz: „Mir kam das komisch vor. B. hat mir gesagt, da wäre nichts dabei, und er hätte das auch schon öfters gemacht. Er hat mir gesagt, daß das ein Auftrag seines Kreisvorsitzenden Mathias Möhring sei, die NPD auszuspionieren.“ Schmidt ging mit, „aus Interesse“, wie er sagt.
Für Schmidt sollte der „Organisationsauftrag“ ein Nachspiel haben. Denn Möhring, der zur Beton-Riege gehört und als Schöneberger Statthalter von Gunnar Sohn gilt, entfachte daraus zusammen mit dem Neuköllner JU-Chef Andreas Baucik auch ein Intimus von Sohn - und dem bis zum April 1988 amtierenden BSU-Landesvorsitzenden Michael Hauke eine Kampagne gegen Schmidt, die in einem noch laufenden CDU -Parteiordnungsverfahren gipfelte.
Schmidt fühlt sich, genauso wie der Tempelhofer Oliver Genz, als Opfer einer von den Betonisten inszenierten Intrige. Der Hintergrund: Im letzten Herbst, als Michael Hauke vom Neuköllner SU-Chef zum Landesvorsitzenden aufstieg, wurde Schmidt von Hauke angesprochen, ob er nicht sein Nachfolger werden wolle. Schmidt sagte zu. Was er nicht wußte: Daß Hauke ihn hofierte, war eine Notlösung. Der eigentliche Wunschkandidat der Betonisten stand für eine Kandidatur zunächst nicht zur Verfügung. Erst zwei Tage vor den Wahlen signalisierte dieser Kandidat seine Einwilligung.
Schmidt wurde bedrängt, zurückzustecken, lehnte ab und wurde gewählt. Von da an hatte er nichts mehr zu lachen. Vor allem Michael Hauke hätte gegen ihn gearbeitet, berichtet Schmidt. Hauke fürchtete um seine Mehrheiten in der Schüler -Union. Mit gutem Grund: Im April wurde er abgewählt; die Betoner hatten damit eine ganze Organisation verloren. An seine Stelle trat Michael Groß, der als gemäßigter Konservativer gilt.
„Wenn Du nicht freiwillig zurücktrittst, werden wir andere Maßnahmen ergreifen!“ Diese Drohung, so erinnert sich Schmidt, habe Gunnar Sohn im Frühjahr gegen ihn ausgesprochen. Kurze Zeit später hatte der mißliebige Funktionär das Parteiordnungsverfahren am Hals. Hauke sollte nun, so wird gemunkelt, Schmidt nach dem Willen von Sohn und Baucik in Neukölln wieder ablösen. Das ging aber nur mit einer Mitgliederversammlung. Baucik und Hauke sammelten also Unterschriften, um ein Treffen zu erwirken.
Dann riefen sie den neuen BSU-Chef, Markus Groß an: Groß aber willigte nicht ein, - er war auch aus satzungsmäßigen Gründen gar nicht dazu berechtigt. Die Betonisten störte das nicht: Sie formulierten einen Brief an die Mitglieder, fälschten die Unterschrift von Groß und luden ein. Groß, der den Braten roch, lud wieder aus und hat die Sache jetzt seinem Anwalt übergeben.
Gleichzeitig versuchten Baucik und Hauke, Schmidt persönlich dazu zu „bewegen“, die Mitglieder zu versammeln. „Sie trommelten an meiner Haustür“, berichtet Schmidt, hielten ihm die Unterschriften hin: „Wir haben gesammelt, Du mußt einladen!“ Das war falsch. Baucik und Hauke hatten 24 Unterschriften - 27 wären nötig gewesen. „Dann hab ich sie aufgefordert, zu verschwinden. Statt dessen stellten sie einen Fuß in die Türangel und drückten dagegen.“ Schmidt erstattete Anzeige wegen Hausfriedensbruch. Die Revanche: Den Laden der Jungen Union Neukölln darf er nicht mehr betreten - Hausverbot.
ccm
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