Fall Rössner-betr.: Seite 3, taz vom 6.7.88

betr.: Seite 3, taz vom 6.7.88

(...) Es ist bemerkenswert, daß in eurer Artikelserie über Bernd sein Wunsch und Wille immerhin in acht Zeilen wiedergegeben wird. Man erfährt da, daß Bernd eine politische Berichterstattung wollte, daß nicht die „individuelle Komponente“ im Vordergrund stehen sollte. Statt dessen wird er durch euer Blatt geschleift, der Leserschaft zum Frühstück als „gebrochener Mann“ serviert und eine angebliche Initiative zur Freilassung Bernds hochgejubelt, deren bisher einzige Aktion darin besteht, einen Brief an eine unzuständige Stelle geschrieben zu haben. Eine Initiative, die sich wohl besser „Personality -Show“ Pfarrer Löhr nenne sollte, denn da war mit Sicherheit nichts mit Bernd abgesprochen; der weiß nämlich, daß er Bundesgefangener ist. Es wurde über seinen Kopf hinweg und gegen seinen Willen gehandelt und darauf spekuliert, daß Bernd aufgrund seiner Krankheit und den (zweifellos vorhandenen) Haftschäden nicht in der Lage ist, sich zu wehren. Hier wird ein kranker und sicherlich haftunfähiger Mann mißbraucht und ausgebeutet, und der erstaunte Leser erfährt, daß Pastor Merkwürden die vorhandene Gesprächsbereitschaft der Justizministerin dazu ausnutzen will, seine Motivation und seine politischen Vorstellungen zu vermitteln, sprich: sich zu produzieren.

Die Glaubwürdigkeit dieses Vertreters christlicher Nächstenliebe erscheint in einem äußerst seltsamen Licht, wenn man erfährt, daß Christof Wackernagel telefonisch die Auskunft bekam, alles sei mit Bernd abgesprochen, während in der taz zu lesen stand, Bernd sei nachträglich davon informiert worden. (...)

Ihr als sogenannte linke Zeitung bietet also diesem selbsternannten Spezialisten in Sachen Bernd Rössner die Bühne für seine Inszenierung. Mit Bernd als Staffage. Ihr habt es nicht für nötig gefunden, Bernd selbst zu fragen. Der ist durchaus in der Lage, sich zu äußern. Und durchaus noch nicht darauf angewiesen zum Objekt „christlicher Nächstenliebe“ degradiert zu werden. Bernd Rössner lebt noch und eines Tages werden sich die Tore von Straubing für ihn öffnen, ohne daß ihm vorher von christlich-humanitärer Seite das Rückgrat gebrochen wird. Es gibt seriöse Bestrebungen in diese Richtung. Bestrebungen denen der Presserummel des Pfarrer Löhr nur im Wege steht. (...)

Berichterstattung über Bernd Rössner ist keinesfalls nur abzulehnen. Aber fragt ihn vorher. Ihn oder jemanden, an den er selber euch verweisen wird. Und ein Nein habt ihr zu akzeptieren. Bernd ist keine Person der Zeitgeschichte mehr, das war er vor 13Jahren. Heute ist er eine Privatperson. Und als solcher hat er das Recht, es abzulehnen, als Häufchen Elend durch die Presse gezerrt zu werden. (...)

W. Meyer, Mutlangen

Genannter Bericht ist an Einseitigkeit nicht mehr zu überbieten. Sicher darf ein Gottesmann/-frau Ideen haben und versuchen, diese zu verwirklichen. Ohne Widerworte stimme ich der Enthaftung des Terroristen Rössner zu. (...)

Sicher hat R. einige Hungerstreiks mitgemacht. Er brach diese immer vorzeitig ab, auch war er tatsächlich einmal im Schmutzstreik, wie ihr es nennt. (...) Damit hat Rössner die Justiz zwar gefordert, sie aber nicht wirklich bekämpft. Kämpfen tun in Straubing nicht die verurteilten Terroristen. Kämpfen tun in Straubing die Gefangenen, die keinerlei Unterstützung aus der Freiheit haben. Nicht wie die Herren von der RAF, die außer Zeitungen und Zeitschriften regelmäßig auch noch Dollars bekamen. Die von Rechtsanwälten besucht und betreut wurden. Nein, Herr Pfarrer Löhr, Ihre Pflicht und Schuldigkeit wäre es, auch für andere Gefangene, ob in Straubing oder Werl, sich einzusetzen. Es gibt in Straubing Gefangene, die 40 Jahre in Haft sind. Es gibt aber auch eine Menge, die 20 Jahre und mehr herum haben, die dem Strafvollzug/Strafvollzugsjustiz während der Strafhaft wirklich Paroli geboten haben. Das sollte sich auch die Frau Dr. Vollmer mit ihrem Terroristenwahn einmal durch den Kopf gehen lassen. Fast alle Sicherheitsübertreibungen in Straubing hatten wir den Terroristen zu verdanken. (...)

Entweder man setzt sich für alle Gefangenen ein - oder man muß sich den Vorwurf der Einseitigkeit gefallen lassen.

Günter-Arno Rische, Nürnberg

Sicherlich habe ich etwas Plan von der Materie Knast, da ich selbst in diesen Verwahrapparat gekommen bin. Was ich aber nicht verstehen kann, ist, daß so intelligente Jungs wie B. Rössner sich an Bomben und Waffen zu schaffen machen, wenn sie merken, daß mit friedlichen Mitteln nichts mehr zu erreichen ist. Wären sie doch alle bei den Worten geblieben. So aber, mit Gewalt und Heimtücke seine Ziele verfolgen, bringt früher oder später jeden in den Knast. Ich verstehe nicht, was es daran zu meckern gibt.

Aber auch hier in der Institution Knast versucht er mal wieder, den Märtyrer zu spielen. Wenn man krank ist, geht man doch zum Arzt und stellt sich nicht für seine Ziele, mit den Worten, mir geht es hier so schlecht, zur Show. Das wird auch wohl der Staatsanwalt durchschaut haben.

Ferner sehe ich, daß die schon wieder ihr eigenes Süppchen kochen wollen, quasi nur ne Gnade für die Politischen. Wieso nicht für alle? Sind wir mal solidarisch und fordern auch ne Gnade für alle, die lebenslänglich haben, daß ist doch nur korrekt. Da gibt es nämlich auch Menschen, die seit fast 20 Jahren hinter Gittern sitzen und die auch keine Gnade bekommen! Also los, ihr hohen Herren der „legalen“ Politik, wir wollen alle Gnade!

Arno Mathes, JVA Willich