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Gesellenstück der Maurerkolonne

■ SV Waldhof Mannheim - Borussia Mönchengladbach 4:1

Ludwigshafen (taz) - Der SV Waldhof Mannheim brachte ein Kunststück fertig, meinte Trainer Felix Latzke: Er schoß vier Tore. Das letzte Mal gelang den Blauschwarzen derartiges gegen den Karlsruher SC. Der steht inzwischen an der Tabellenspitze der Bundesliga, Waldhof ist Vierter. Da stimmt doch was nicht.

Den 12.000 Zuschauer im Ludwigshafener Südweststadion, dem schlechtesten Stadion der Bundesliga, freudentränten die Augen. Noch nie lieferten die Waldhöfer ein solches Fußballspiel. Günther Sebert, jetzt Co-Trainer und vor zwei Runden noch Libero, weiß, was passiert ist. „Wir haben jetzt mehr Fußballer.“ Stimmt. Zu seiner Zeit glich die Mannschaft eher einer Maurerkolonne, die sich hinten reinstellte.

Schon in der ersten Minute hat Jochen Müller die erste hundertprozentige Chance. Uwe Kamps verhindert mit einer Klasseparade den Rückstand der Gladbacher Elf. Dann ist Kalle Bührer an der Reihe. Doch der hat zu kurze Beine. Wenig später stellt sich heraus, daß Bührers Hals nicht lang genug ist. Er verpaßt eine tolle Bockenfeld-Flanke mit dem Kopf.

„Heut‘ kriegen Se“, rufen die Fans. Und weil der SV Waldhof mit Uwe Freiler, er kam vom Absteiger Homburg für 800.000 DM, einen Vollblut-Mittelstürmer eingekauft hat, behalten sie recht. 13. Minute: Lux auf Bockenfeld, der narrt Drehsen, flankt, und Freilers Kopfball landet im Tor. In der 27. Minute wechselt Peter Lux das Schuhwerk und spielt noch besser. Der knapp 1,65 kleine Kicker kann zwar kaum über das Steuer seines nagelneuen schwarzen Benz gucken, doch auf dem Spielfeld sieht er immer den freien Mann. Mit Forechecking und einem hervorragend durchdachten Spielaufbau bestimmen die Waldhöfer das Geschehen. Dickgießer serviert maßgerecht auf uns Uwe Freiler und der säbelt sein drittes Tor im dritten Spiel für Waldhof in Kamps‘ Kasten. 2:0 (45.).

Daß Stefan Effenberg, größer und blonder als Uwe Rahn, in der 57. Minute den Anschlußtreffer erzielt, wird überall entsetzt registriert. Das Publikum stöhnt. Latzke läuft los, wechselt aus. Uwe Meyer kommt für Kurz-Beiner Bührer zu seinem Bundesliga-Debüt. Der Ex-Geislinger Lutz Siebrecht läuft für Libero Zvezdan Cvetkovic auf den Rasen.

Lutz Siebrecht, 1,90 groß, fiel schon beim Heimspiel gegen Bayer Leverkusen angenehm auf. Diesmal bedient er Bockenfeld und der hämmert aus 20 Metern den Ball ins Netz (68.). Das vierte Tor für Waldhof (83.) erzielt Siebrecht selbst.

Der braungebrannte Felix Latzke nimmt den Sieg recht gelassen. „Man muß die Feste feiern, wie sie fallen.“ Als Latzke letztes Jahr die ihm unbekannte Bundesliga-Arena betrat, tönte er, in zwei Jahren wolle er mit dem Waldhof einen UEFA-Cup-Platz erreichen. Mein Vorschlag: jetzt die Saison abbrechen. Die Mannheimer wären international dabei und der KSC Deutscher Fußballmeister.

Felix Kurz

MANNHEIM: Zimmermann - Cvetkovic (66. Siebrecht), Finke, Dickgießer - Bockenfeld, Müller, Lux, Güttler, Quaisser Bührer (62. Meyer), Freiler.

MÖNCHENGLADBACH: Kamps - Lange - Straka, Drehsen (30. Eichin) - Winkhold, Effenberg, Hochstätter, Bruns (75. Krauss), Frontzeck, Rahn - Criens.

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