USA: Außenhandel hängt weiter durch

■ Juni-Zahlen jagen Möchtegern-Präsident Bush Schrecken ein

Berlin (taz) - Noch-Vizepräsident und Möchtegern-Präsident George Bush dürfte wenig erfreut gewesen sein: Entgegen allen Erwartungen ist das Handelsbilanzdefizit der USA im Juni wieder angestiegen. Saisonbereinigt betrug es 12,5 Mrd. US-Dollar nach 9,8 Mrd. im Mai. Nicht nur die Parteitagsregie der Grand Old Party ist etwas durcheinander geraten, auch für die Wahl im November könnte die Außenhandelsentwicklung eine wichtige Rolle spielen. Seit 1975 konnten die USA keinen positiven Saldo in ihrer Handelsbilanz erzielen.

Ökonomisch katastrophal wurde die Situation aber erst nach dem Amtsantritt von Ronald Reagan, der mit seiner Aufwertungspolitik die US-amerikanischen Exporteure in Bedrängnis brachte und durch die gleichzeitige Verbilligung der Importe eine wahre Konsumflut in Gang setzte. Das Resultat dieser Politik war schließlich das Rekorddefizit der Handelsbilanz im Jahre 1987 mit mehr als 170 Mrd. Dollar. Eine der Aufgaben des nächsten Präsidenten wird es sein, diese Lücke zu schließen. Wer wie Bush ankündigt, an der wirtschaftspolitischen Linie von Reagan anknüpfen zu wollen, dürfte bei den Wählern wenig Vertrauen für die Bewältigung dieser Aufgabe finden.

Die Hauptursache für das höhere Juni-Defizit liegt auf der Importseite. Vor allem Fabrikanlagen, Maschinen, Autos und Konsumgüter standen auf der Wunschliste der Yankees ganz oben. Die Wettbewerbsfähigkeit der US-amerikanischen Industrie auf den internationalen Märkten ist nach wie vor nicht groß. Im Jubel über die höheren Exportziffern der vergangenen Monate wurde übersehen, daß diese Verkäufe weitgehend dem hohen Wachstumstempo von Ländern wie Japan, Kanada und Großbritannien zu verdanken waren. An diesem größeren Kuchen konnten auch die US-amerikanischen Produzenten einige Krümel abhaben. Mit der Abschwächung des Wachstumsprozesses gingen allerdings auch die US-Exporte relativ zurück. In einer langsamer wachsenden Weltwirtschaft, bei der es wesentlich um die Aufteilung bestehender Absatzvolumina geht, gehören die USA trotz langfristig gesunkenem Dollarkurs aber zu den Verlierern.

Ein Beleg für diese Interpretation bietet die regionale Auffächerung der Handelsbilanz. Die Defizite in der Juni -Bilanz verteilen sich recht gleichmäßig auf nahezu alle Handelspartner der USA. Gegenüber Japan betrug das Defizit 4,4 Mrd. Dollar und gegenüber der Bundesrepublik eine Milliarde. Die südostasiatischen „vier Tiger“ (Taiwan, Südkorea, Singapur und Hongkong) konnten sogar einen Überschuß von 2,7 Mrd. Dollar erzielen. Da der US -Außenhandel zu einem nicht geringen Teil von den landwirtschaftlichen Exporten getragen wird, dürfte der dürrebedingte Ernteausfall die Handelsbilanz sogar eher noch mehr belasten. Was den Politicos in Washington bleibt, ist die protektionistische Keule in Gestalt des neuen Handelsgesetzes.

Kurt Zausel