Sowjetisches Monopoly statt russisches Roulette

■ Erstmals seit der Zarenzeit Anleihen aus Moskau auf dem deutschen Kapitalmarkt

Berlin (taz) - Sowjetische Anleihen auf dem deutschen Kapitalmarkt - das hatte es seit der russischen Oktoberrevolution nicht mehr gegeben. Doch Perestroika machte es möglich: Vor etwa einem Monat gaben bundesdeutsche Banken die ersten sowjetischen DM-Anleihen seit der Zarenzeit aus, mit einer Laufzeit von sieben Jahren und einer Rendite von 6,375 Prozent. Die Anleger griffen zu: „Alles verkauft“, meldeten die Geldinstitute am Wochenende auf taz-Anfrage.

Finanziert ist damit ein 500-Millionen-Kredit, den ein Konsortium von WestLB, Commerzbank, der Deutschen und der federführenden Dresdner Bank der Moskauer Bank für Foreign Economic Affairs zur Verfügung stellte. In Finanzkreisen erregte das Geschäft Aufsehen. „Als pikant wurde vermerkt, daß mit dem Coupon von 6,375 Prozent Moskaus Bonität besser ist als die der Bundesregierung“, berichtete dpa.

Moskaus Wunsch, den Kredit erstmals über Anleihen zu finanzieren, wird so begründet: Die Sowjetunion wolle im Zuge der Perestroika offenbar wieder „richtig“ in den internationalen Kapitalmarkt einsteigen.

Daß sich die Geldinstitute auf das Anleihen-Geschäft eingelassen haben, ist kein Zufall. Mit dem „Vertrauensbeweis“ habe man zeigen wollen, daß man „den Mann“ - gemeint war Gorbatschow - unterstütze.

Bei allem Unterstützungswillen gingen die Bankiers mit der geschäftsüblichen Vorsicht an die Sache heran. In einem Probelauf testeten sie, ob die Sowjet-Anleihen überhaupt Abnehmer finden würden. So warf die Bank für Kredit und Außenhandel in Zürich, eine Tochter der WestLB, im Januar 1988 Anleihen im Werte von insgesamt 100 Millionen Schweizer Franken auf den Kapitalmarkt.

Auch in der Bundesrepublik kannten die Anleger keine Vorbehalte gegen das Sowjet-Papier. Institutionen wie Versicherungen und Kapitalanlagestellen bekundeten „lebhaftes Interesse“ (Wilde). Und auch bei Kleinanlegern kam die erste Anleihe seit der Zarenzeit gut an. Das sei doch „mal was anderes“, fand eine Kölner Volkswirtschaftsstudentin, die der Sowjetunion 3000 DM Erspartes zur Verfügung stellte. „Außerdem können die das Geld bestimmt gut gebrauchen.“

Daß die Sowjetunion die gepumpten Devisen gut gebrauchen kann, steht außer Frage. Um die Wirtschaft zu modernisieren, muß Gorbatschow auch westliche Technik einkaufen. Ob mit dem bundesdeutschen Kredit aber eine Schuhfabrik auf Vordermann gebracht werden soll oder ein Atomkraftwerk, darüber können die Anleger nur spekulieren. Das Geld ist nicht zweckgebunden.

Ein hohes Risiko sind die Gläubiger aller Voraussicht nach nicht eingegangen. Der sozialistische Staat gilt als guter Schuldner, der Kredite samt Zinsen stets pünktlich zurückzahlt.

Einzig eine Revolution, witzeln Bankiers, könnte die Renditen gefährden. Alt-Aktionäre, die noch Anleihen aus der Zarenzeit besitzen, können darüber allerdings überhaupt nicht lachen. Nach der Oktoberrevolution hatte sich der neue sozialistische Staat nämlich geweigert, das zaristische Schuldenerbe anzuerkennen. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

tine