: Warum starb Salii?
Zum Tod des Präsidenten von Palau / In dem Inselstaat schwelt der Konflikt um eine freie Assoziation mit den USA ■ P O R T R A I T
Von Ulrich Stewen
Berlin (taz) - Seit Monaten blies dem Präsidenten von Palau der Wind scharf ins Gesicht. Im April hatte das Oberste Gericht der westpazifischen Inselrepublik eine Verfassungsänderung für „null und nichtig“ erklärt, wonach eine einfache Mehrheit der Wählerstimmen ausreichte, eine „freie Assoziierung“ mit den USA durchzusetzen. Damit war ein Ende der seit fast zwei Jahrzehnten andauernden Verhandlungen zur Aufgabe des Treuhandstatus des mikronesischen Inselstaates wieder in weite Ferne gerückt. An Salii, der seit der Ermordung seines Vorgängers im Juni 1985 Präsident der knapp 15.000 Insulaner war, hatte es nicht gelegen. Der Präsident, der am Samstag unter noch ungeklärten Umständen in seinem Wohnhaus in der Hauptstadt Koror zu Tode kam, hatte keine Gelegenheit ausgelassen, seine Landsleute von den Vorteilen eines Zusammengehens mit Washington zu überzeugen.
Hindernis auf dem Weg zu einer Klärung der Beziehungen zu den USA ist seit 1980 ein Passus der Verfassung von Palau, der Atomwaffen vom Territorium der Republik verbannt. Doch Washington will sich die Option offenhalten, bei Bedarf atomgetriebene Schiffe der Pazifikflotte in Palau ankern zu lassen. Halbherzige Dementis aus Militärkreisen nähren darüber hinaus die Vermutung, daß der Tiefseehafen von Malakal eine vorgeschobene Basis für atomwaffenbestückte U -Boote der Trident-Klasse aufnehmen soll. In Verkennung der traditionellen Eigentumsrechte an Land wollen sich die USA zudem Nutzungsrechte auf der Palau-Insel Babeldaob zu militärischen Trainingszwecken sichern. Als Gegenleistung bietet Washington dem Staat eine Milliarde Dollar für die Geltungsdauer einer „freien Assoziierung“ von 50 Jahren. Ähnliche Verträge sind bereits mit drei weiteren ehemaligen Treuhandgebieten in Mikronesien geschlossen worden. Um die Atomwaffenbestimmung der Verfassung zu Fall zu bringen, benötigte Präsident Salii eine Dreiviertelmehrheit der Wähler. Trotz vier Volksbefragungen zur Verfassungsänderung und sechs weiteren zur Statusfrage konnte die Regierung ihr Ziel nicht erreichen. Washington signalisierte Koror, daß man mit Neuverhandlungen keine Zeit zu verschwenden trachte, setzte Salii damit die Pistole auf die Brust und kappte dem abhängigen Inselstaat die Haushaltszahlungen. Der Präsident ordnete daraufhin im vergangenen Jahr die Entlassung von 900 Staatsbediensteten an, nahezu zwei Drittel aller Arbeitskräfte im Regierungssold. Auch Einschränkungen bei der Wasser- und Stromversorgung wurden notwendig.
Die innenpolitische Lage spitzte sich zu. Prominente Gegner der Assoziation wurden ermordet, enge Berater des Präsidenten gerieten unter Verdacht, wurden verhaftet und verurteilt. Als auf Druck von Kongreßabgeordneten in Washington und führender Lokalpolitiker in Palau der US -Bundesrechnungshof in Koror vorstellig wurde und Korruptionsvorwürfen nachging, war der Stern Saliis endgültig gesunken.
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