: Grundgesetz und Bundeswehr
■ Wie Eindeutigkeit in Juristenhand zu Zweideutigkeit wird
„Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt“, steht klar, eindeutig und unmißverständlich in Artikel 87a Absatz2 des Grundgesetzes. Alle Diskussionen über Bundeswehrbeteiligung an UNO-Truppen und bewaffnete Einsätze bundesdeutscher Armeeinheiten in der Golfregion scheinen also überflüssig - denn sie werden im Grundgesetz weder ausdrücklich erwähnt noch wird durch sie die BRD verteidigt. Aber Juristen, wenn sie etwas politisch Gewünschtes begründen wollen, können findige Köpfe sein: Strenggenommen würden Bundeswehreinheiten, als Bestandteil der UNO-Truppen, gar nicht im traditionell militärischen Sinne „eingesetzt“, weil sie dabei für „rein friedliche Zwecke, deren Ziel nicht Anwendung von Waffengewalt ist“, verwendet würden. Die Bundeswehr dürfe ja auch zu humanitären Aktionen abkommandiert werden.
Der wesentliche juristische Streit hat aber mit dem möglichen Einsatz von BRD-Soldaten in UNO-Truppen nur mittelbar zu tun: Dürfen bundesdeutsche Armeeangehörige außerhalb des „Nato-Gebiets“ agieren? Die Antworten darauf fielen schon immer sehr unterschiedlich aus. Dreh- und Angelpunkt ist dabei die Frage, wie der Begriff der „Verteidigung“ ausgelegt werden kann, darf und soll: Kann die BRD auch am Golf verteidigt werden, am Ural, in Nordnorwegen? Im Völkerrecht, an dessen Definitionen sich das Grundgesetz orientiert, wird auch die Re-Aktion auf Angriffe von Flugzeugen oder Schiffen, die sich außerhalb des eigenen Hoheitsgebietes befinden als Verteidigung anerkannt. Außerdem - und das ist für die Bundesrepublik entscheidend - gibt es im Völkerrecht ein „kollektives Selbstverteidigungsrecht“, d.h. auch die Hilfsaktion eines nicht-angegriffenen Staates zugunsten eines angegriffenen ist eine Art „Verteidigung“.
Im Grundgesetz wird die Mitgliedschaft der BRD in einem System „kollektiver Sicherheit“, der NATO, ausdrücklich genehmigt. Umstritten bleibt aber, ob der Einsatz der Bundeswehr außerhalb des sogenannten NATO-Territoriums erlaubt ist: Das Grundgesetz selber sagt dazu ausdrücklich gar nichts, wurde allerdings bisher allgemein so interpretiert, daß es den Bundeswehreinsatz „in einem System kollektiver Sicherheit“ und damit auch nur in dessen Grenzen, also innerhalb des sogenannten NATO-Gebietes ermögliche.
oto
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen