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Boykott für Bargeld

■ Bewohner eines Flüchtlingsheims wollen sich beim Einkaufen nicht „verschaukeln“ lassen

Bis auf weiteres wollen die rund 350 Flüchtlinge, die im Asylbewerberheim in der Reinickendorfer Scharnweberstraße leben, den im Heim untergebrachten „Lebensmitteldiscount“ boykottieren. Er ist ihnen nicht nur zu teuer, sondern vor allem stört sie die - im übrigen in allen Berliner Flüchtlingsheimen praktizierte - Form des bargeldlosen Einkaufens. Statt dem Ermessen der jeweiligen Verkäuferin ausgeliefert zu sein - die Waren sind ohne Preisangaben -, fordern die Flüchtlinge Bargeld, um in billigeren Supermärkten einzukaufen. Wenig einsichtig erscheint den Bewohnern vor allem, warum zwischen Flüchtlingen und dort ebenfalls lebenden deutschstämmigen Aussiedlern Unterschiede gemacht werden. Die letzteren erhalten nämlich Bargeld zum selbständigen Wirtschaften. Nachdem bereits am Vortage eine Kundgebung stattfand, kam es gestern zu einem ersten Gespräch zwischen Heimbewohnern und der zuständiger Sozialverwaltung. Unter dem Hinweis „das ist unmöglich wegen der Vorschriften“ lehnten jedoch die Senatsvertreter die Forderung der Flüchtlinge ab. Im Moment gebe es keine Alternative, bekräftigte auch der Sprecher des Sozialsenats. Die Mitarbeiter des Landesamtes für Zentrale Soziale Aufgaben hätten sich vor Ort die „Klagen“ angehört, aber keinen Grund zur Beanstandung gefunden. Die Aktion Fluchtburg, die den Boykott der Heimbewohner unterstützt, forderte Sozialsenator Fink auf, endlich Bargeld an Flüchtlinge zu geben und im Fall Scharnweberstraße schnell zu handeln. Es gebe zudem kei nen Grund, warum zwischen deutschstämmigen und nicht -deutschstämmigen Flüchtlingen unterschieden werde. Die Senatsvertreter hatten zuvor die Teilnahme von zwei Vertretern der Aktion Fluchtburg am gestrigen Gespräch abgelehnt.

bim

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