piwik no script img

Hessen-CDU verhindert Integration

Der hessische Kultusministers Wagner (CDU) verbietet die Integration zweier behinderter Kinder in Regelgrundschule / Grüne beantragen Revidierung der Entscheidung / FDP signalisiert Unterstützung des Antrags  ■  Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Wiesbaden (taz) - Der hessische Kultusminister Christian Wagner (CDU) hat gestern in Wiesbaden sein Verbot der Integration von zwei behinderten Kindern in die Grundschule von Bad-Soden-Allendorf im nordhessischen Werra-Meißner -Kreis bekräftigt. Zur Begründung sagte Wagner, es sei zur Zeit wissenschaftlich „in keiner Weise nachgewiesen“, daß die Förderung geistig behinderter Kinder auch in Regelgrundschulen in ausreichendem Maße erfolgen könne. Trotz der fünf unabgeschlossenen Integrationsversuche an hessischen Grundschulen sei er deshalb zu dem Schluß gekommen, in Bad-Soden-Allendorf keinen weiteren Versuch zuzulassen. Wagner: „Integration darf nicht um jeden Preis durchgesetzt werden. Wir können nicht alle behinderten Kinder in Schulversuche schicken, deren Erfolg heute noch nicht absehbar ist.“

Nach Wagner sei damit zu rechnen gewesen, daß rund 300 weitere Kinder, die zur Zeit noch in integrativen Kindergärten betreut werden, in die Regelgrundschulen hätten gehen wollen, falls die Landesregierung einen weiteren Schulversuch in Bad-Soden-Allendorf genehmigt hätte. Damit wäre das hessische Sonderschulsystem unterlaufen worden, für das in den letzten 20 Jahren rund 400 Millionen DM ausgegeben worden seien. Wagner: „Wer etwa, wie die Grünen, die Sonderschule als 'Ghetto-Schule‘ abstempelt, der zerstört eine bewährte Schulform, für die es derzeit keine wissenschaftlich belegbare Alternative gibt.“

Trotz der positiven Integrationsgutachten verschiedener Psychologen und der positiven Grundeinstellung der Lehrerschaft der Grundschule in Bad-Soden-Allendorf und der Eltern der nichtbehinderten SchülerInnen blieb Wagner bei seiner bereits Anfang August getroffenen Entscheidung. Der Kultusminister verwies auf ein angeblich existierendes „schulpsychologisches Obergutachten“, in dem ausgeführt werde, daß die beiden Kinder „aufgrund ihrer geistigen Behinderung“ dem Unterricht in der Regelschule „intellektuell nicht folgen“ könnten. Die Einrichtung eines weiteren Schulversuchs würde das Land Hessen rund 200.000 DM jährlich kosten.

Die Grünen im hessischen Landtag warfen dem Kultusminister vor, sich über den Willen von Eltern, Lehrern und Kindern hinweggesetzt zu haben. Wagner habe durch „verfälschendes Zitieren eines Gutachtens“ das Wohl der Kinder für seine rein ideologisch motivierte Entscheidung mißbraucht. Die Grünen haben gestern einen Antrag eingebracht, mit dem Kultusminister Wagner aufgefordert werden soll, seine Entscheidung zu revidieren. Die Regierungspartei FDP hat bereits signalisiert, daß sie sich einem entsprechenden Antrag nicht verschließen werde. Selbst in den Reihen der CDU herrscht Unmut. Vor Ort hatte sich auch der CDU -Landtagsabgeordnete Meister vehement für die Integration der beiden Kinder eingesetzt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen