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Henryk M. Broder-betr.: "Das Ende des Selbstbetrugs", taz vom 16.8.88

betr.: „Das Ende des Selbstbetrugs“, taz vom 16.8.88

(...) In betont antiisraelischen Zeitschriften hat man mittlerweile in Broder einen besonders glaubwürdigen Kronzeugen gefunden und zitiert ihn allenthalben. Insbesondere sein Diktum, in Israel verfalle die Gesellschaft zunehmend einem „Kollektivwahn“, ist nun endlich auch bei denen auf größte Zustimmung gestoßen, die Broder bislang nur als „Zionisten“ zu titulieren vermochten.

Es ist dabei völlig irrelevant, was Broder zu seinem Gesinnungswandel getrieben haben mag, eine betont einseitige Israel-Kritik ausgerechnet in dem Land zu veröffentlichen, das er einmal mit übergroßem Getöse zu verlassen vorgab. Entscheidend ist allein das Beharren auf eine politische und weitsichtige Analyse des Konflikts, anstatt sich von groben Übertreibungen und subjektiven Pauschalisierungen antreiben zu lassen. Denn weder sind die Israelis kurz davor, dem Wahnsinn zu verfallen, noch geben Broders derzeitige Stimmungsbilder die komplexe israelische Wirklichkeit wider. In Wahrheit befindet sich die politische Landschaft, trotz aller, zuweilen wirklich traurigen Ereignisse, derzeit in einem rasanten Diskussions- und Veränderungsprozeß. Seitdem vor kurzem wichtige Sprecher der PLO angedeutet haben, man sei (erstmals in ihrer Geschichte!) bereit, auf eine Zerstörung des jüdischen Staates zu verzichten, tun sich völlig neue Perspektiven, auch in der israelischen Politik, auf. Denn es war seit jeher die unabdingbare Forderung Israels an die Adresse der Palästinenser, daß die unwiderrufliche Anerkennung ihres Existenzrechtes überhaupt erst die Voraussetzung darstellt, um über eine durchaus mögliche Koexistenz zu verhandeln.

Anstatt also absolut wirkungslose Fundamentalverurteilungen Israels zu formulieren, wie es derzeit wieder einmal Mode zu sein scheint (und sei es aus naiver Desillusionierung), sollten nachdenkliche und verantwortungsbewußte Autoren in den kommenden Monaten lieber einen für beide Seiten akzeptablen und gangbaren Weg aufzuzeichnen versuchen. Einer der Konfliktparteien die Kompromißbereitschaft grundsätzlich abzusprechen heißt indessen, den Status Quo nicht nur selbstgerecht zu betrauern, sondern ihn womöglich auch zu verewigen.

Benny Peiser, Frankfurt

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