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Namibia-Gespräche in entscheidender Phase

Fünfte Gesprächsrunde der Südafrikaner, Kubaner und Angolaner mit Verhandlungsleiter Chester Crocker / Verhandlungspartner demonstrieren Optimismus / Abzug der Kubaner aus Angola binnen sieben Monaten als Bedingung für Unabhängigkeit Namibias  ■  Von Knut Pedersen

Brazzaville (taz) - Zum fünften Male seit vergangenen Mai haben sich gestern in der Hauptstadt des zentralafrikanischen Kongo Südafrikaner, Kubaner und Angolaner an den Verhandlungstisch gesetzt, um sich über die Zukunft Namibias zu verständigen. Seit dem 8.August ist ein Waffenstillstand in Kraft. Damit tritt der Friedensprozeß in seine entscheidende Phase: Bis zum 1.9. muß der Rückzug südafrikanischer Truppen aus Angola beendet sein und ebenfalls binnen Wochenfrist - müssen sich Südafrika, Kuba und Angola auf einen Zeitplan für den vollständigen Abzug von rund 45.000 kubanischer Soldaten einigen. Das Ende der kubanischen Militärpräsenz in Angola ist die - von Südafrika und den USA - gesetzte Bedingung für Namibias Unabhängigkeit.

„Entweder haben wir etwas Tragfähiges ausgearbeitet, und dann werden wir in Brazzaville den point of no return erreichen. Oder alles war nur ein Kartenhaus und wird hier zusammenbrechen“, erklärte bei seiner Anreise aus Paris US -Verhandlungsleiter Chester Crocker. Auf den ersten Blick hat er guten Grund, auf weitere Fortschritte in der von den USA initiierten Verhandlungsdynamik zu setzen. Unter amerikanischer Schirmherrschaft wurde zum ersten Mal seit rund 20 Jahren eine Waffenruhe im nördlichen Namibia vereinbart und respektiert.

Am vergangenen Montag haben sich südafrikanische, kubanische und angolanische Militärs „formell“ auf die Sicherung der Waffenruhe verständigt: In einem Zelt nahe der Wasserfälle von Ruanda, nur einige hundert Meter von der angolanisch-namibischen Grenze entfernt, haben sie die Einrichtung einer gemeinsamen Kontrollkommission und von elf gemeinsam benannten Grenzposten beschlossen. Und was vielleicht noch erstaunlicher ist: Bei südafrikanischem Wein und Hartwürsten war alles - so der angolanische Colonel Antonio Jose Maria - „Friede, Freude, Eierkuchen“.

Trotz ostentativem Optimismus kann davon in Brazzaville keine Rede sein. Südafrika verlangt den vollständigen Abzug der kubanischen Streitkräfte aus Angola innerhalb der nächsten sieben Monate. Demzufolge träte ab dem 1.November der Zeitplan der UN-Resolution 435 für die namibische Unabhängigkeit in Kraft, und die ersten freien Wahlen stünden für den 1.Juni auf dem Programm. Kann man daran ernsthaft glauben? „Ja, warum nicht?“, hat vor knapp einer Woche Sam Nujoma, der Chef der namibischen Unabhängigkeitsbewegung SWAPO geantwortet. Ist das bloßes Wunschdenken eines Mannes, der binnen Jahresfrist der erste Präsident des unabhängigen Namibia werden könnte? Am 10.August, bei seiner Rückkehr von einem Gipfel der Frontlinienstaaten, hat der zimbabweanische Staatspräsident ebenfalls zuviel oder nicht genug gesagt. Der kubanische Truppenabzug könnte „binnen sechs oder sieben Monaten abgeschlossen sein“, erklärte Mugabe ohne weiteren Kommentar.

Bis Freitag soll hier in Brazzaville entschieden werden, wie weit und mit welchen Risiken die Verhandlungen gehen können. Sollte am 1.November das UN-Schema für die Unabhängigkeit Namibias in Kraft gesetzt werden, dann müßte Südafrika - bis Ende Januar - seine Streitkräfte in der ehemals deutschen Kolonie von rund 50.000 auf exakt 1.500 Mann reduzieren. Das scheint genau so unglaublich wie der Rückzug der kubanischen Truppen in den nächsten sieben Monaten. Dennoch entbehrt der Vorschlag Südafrikas nicht einer gewissen Verhandlungslogik. Anfang August in Genf hat die südafrikanische Delegation die „Flucht nach vorne“ ergriffen, als sie den 1.November als Stichtag vorschlug. Nach einer ersten heftigen Abwehrreaktion und einer anschließenden langen Nacht haben Angola und Kuba beschlossen, die Tür zu öffnen, gegen die Pretoria vergeblich anzurennen dachte. Die Frage ist nun, ob sich diese Taktik auf Dauer praktizieren läßt.

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