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Schluß mit der Komplizenschaft

Männergruppen wollen sich auf die Seite der Frauen stellen und planen für den Herbst eine Kampagne gegen das Schwangerschaftsberatungsgesetz / Vorgesehen sind Demonstrationen und „Selbstbezichtigungsaktionen“ / Das Gesetz entmündige auch die Männer  ■  Von Helga Lukoschat

Bringen die Männergruppen der Republik frischen Wind in den Kampf gegen den Paragraph 218? Wird ein jahrzehntelanges Frauenthema nun endlich zur „Männersache“? Wenn es nach der Initiativgruppe „Männer gegen Schwangerschaftsberatungsgesetz - für Abschaffung des §218“ geht, steht im Herbst eine Kampagne ins Haus, die von Öffentlichkeitsarbeit über Demonstrationen bis zur medienwirksamen Aktion alles enthält, um Aufsehen zu erregen. Bei einem Treffen von Männergruppen und Männerbüros wurde jüngst dieser Schritt beschlossen: Ist es vorbei mit dem Image der jammervollen Softies, die nichts als Nabelschau betreiben können?

Der Berliner Politologe Peter Grottian, ist trotz seines Engagements für die Kampagne skeptisch. „Das alles steht noch auf sehr wackligen Füßen“, gibt er freimütig zu. Illusionen über seine Geschlechtsgenossen und Mitstreiter macht er sich nicht. In den Männergruppen herrsche nach wie vor der „Individualtrip“. Es sei schwierig, die Probleme mit Sexualität und Verhütung „politisch zu wenden“. Dennoch hofft er auf Resonanz in der Männerwelt. Bislang hätten sich zum Thema 218 immer nur die Kirchenmänner und konservativen Politiker zu Wort gemeldet. Darum ginge es: Um die schon längst fällige Aufkündigung der „unterstellten Komplizenschaft“ aller Männer.

Vor allem aus den Männerbüros in Göttingen und Hamburg hat sich eine Kerngruppe für die Organisation der Kampagne gebildet. Als Unterstüzter soll u.a. das „Komitee für Grundrechte und Demokratie“ gewonnen werden. Prominente Männer sind bislang kaum dabei. Aber das kann sich ändern. Geplant ist nämlich auch eine „Selbstbezichtigungsaktion“, in der sich die männliche Prominenz per Zeitungsanzeige präsentieren darf. Möglicher Text einer solchen Anzeige: „Wie habe ich mich zu Verhütung und Schwangerschaft verhalten?“ oder, kurz und prägnant: „Ich habe versagt“.

Ein Konzeptpapier für das nächste Koordinationstreffen Anfang September liegt bereits vor. Darin wird der §218 als „Instrument aus dem Gewaltarsenal gegen Frauen“ an den Pranger gestellt, eine Fülle von Argumenten für seine Abschaffung genannt. Sprache und Argumentation unterscheiden sich dabei kaum von Publikationen aus der autonomen Frauenbewegung. Das Selbstbestimmungsrecht der Frauen steht im Vordergrund, die Unsinnigkeit, Abtreibungen strafrechtlich zu verfolgen, wird klug und differenziert herausgearbeitet. Aber wie die Männer motivieren? Heißt es in dem Konzeptpapier doch zu Recht: „Männer haben zumeist eine merkwürdige Doppelmoral.

Die Sexualität als etwas Gemeinsames zu sehen, fällt ihnen nicht schwer, scharf indessen trennen sie in ihrem Bewußtsein die möglicherweise negativen Folgen ab und verdrängen ihre Verstricktheit.“ Die Initiativgruppe hofft hier auf Bewußtseinveränderung. Wenn es Männern wirklich um eine Auseinandersetzung um ihre Sexualität geht, wenn die Veranwortung für die soziale und biologische Vaterschaft kein leerer Anspruch sein soll, dann liegt der Kampf gegen den 218 in ihrem eigenen Interesse. „Wir Männer müssen uns verändern, um gesellschaftliche Machtverhältnisse ändern zu können - auch wenn damit traditionelle Machteinbußen verbunden sind“, lautet ihr Resumee.

Die Kampagne soll sich im Herbst auf Aktionen gegen das geplante „Bevormundungsgeetz“ konzentrieren. Denn eine Zwangsberatung einseitig zum „Schutz des ungeborenen Lebens“ entmündige nicht nur Frauen, sondern ziehe auch die „partnerschaftliche Entscheidungsfähigkeit“ von Männern in Zweifel. Ein Adressat ist deshalb die Regierungskoalition.

Eine andere Adressatin ist die Frauenbewegung, die eine solche Kampagne als „notwendig und längst überfällig ansehen könnte“'so das Konzeptpapier. Wie sehen das die Aktivistinnen selbst? „Na ist doch prima“, freute sich spontan eine Mitarbeiterein der Westberliner 218 -Koordination. „Ich erwarte das von den Männern schon seit Jahren. Spät kommt ihr, doch ihr kommt!“

Nächstes Treffen: Samstag, 3.September 1988, im Männerbüro Neuhofstraße 41, 6 Frankfurt/Main von 11 bis 18 Uhr (Tel. 069/ 5970959).

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