Zwangsversetzung an den Stadtrand

■ Der politisch engagierte Pfarrer Klaus Kliesch muß seine Pfarrei in der Wrangelstraße verlassen und nach Lichtenrade gehen / Gemeinde ist wütend

Mit dem Versetzungsdekret des Bischofs der katholischen Kirche in Berlin vom 11.August ist jetzt aktenkundig, was die Kreuzberger Mariengemeinde schon lange befürchtet hatte: Pfarrer Klaus Kliesch, aufgrund seines politischen Engagements auch über die Grenzen Kreuzbergs hinaus bekannt, muß seine Pfarrei in der Wrangelstraße verlassen und die Pfarrei in Lichtenrade, am äußersten Stadtrand, übernehmen.

Begründet wurde die Versetzung mit Platzproblemen, da in Kreuzberg eine neue vierköpfige Priestergemeinde angesiedelt werden soll. „Das ist vordergründig und an den Haaren herbeigezogen“, erklärte dagegen der Vorsitzende des Pfarrgemeinderates Lob-Hüdepohl. Die Arbeit von Pfarrer Kliesch - er hat u.a. die in CDU-Kreisen umstrittene Suppenküche initiiert oder zu den Kreuzberger Krawallen kritisch Stellung bezogen - habe der Bischof zwar nie kritisiert. Die Versetzung, vermutet Lob-Hüdepohl aber, sei aus „inhaltlich politischen Gründen“ erfolgt. Schließlich habe Kliesch nicht nur „mit schönen Worten“ in gesellschaftliche Auseinandersetzungen eingegriffen, sondern „hautnahes Engagement“ gezeigt, was der Bischofsleitung ein Dorn im Auge gewesen sei. Auf der letzten Gemeinderatssitzung am Mittwoch sei die Versetzung von Kliesch mit „ungeheurer Wut und Enttäuschung“ aufgenommen worden. Entsetzt ist man in der Gemeinde auch, mit welcher Rigorosität die wenigen „Elemente von synodaler Mitverantwortung ausgeschaltet“ wurden.

Nicht nur die Bedenken der Gemeinde wurden ignoriert. Wie sonst üblich, wurde zum Fall Kliesch auch keiner der kirchlichen Räte angehört. Damit hat der Bischof selbst gegen kirchliches Dekret verstoßen, ist sich die Gemeinde sicher. Nachdem Kliesch bereits freiwillig der Versetzung zugestimmt hat, um überhaupt einen Pfarrposten zu behalten, wollen die Gemeindemitglieder nun vor allem gegen diese rigorose Verfahrensweise vorgehen und einen „Lernprozeß in der kirchlichen Öffentlichkeit“ initiieren. In einem Brief soll die Bistumsleitung zu Gespräch und Stellungnahme aufgefordert werden. Bereits vergangene Woche empfingen rund 40 Mitglieder die neuen Pfarrer mit Transparenten und informierten sie über die „scheinheilige“ Versetzung.

Auf taz-Nachfrage zeigte sich gestern das bischöfliche Ordinariat kurzangebunden. Pfarrer Kliesch sei im Rahmen von insgesamt zehn Umbesetzungen versetzt worden, deshalb gebe es keinen Anlaß, ihn anders zu behandeln. Die Bitte um eine nähere Erläuterung wurde mit dem Aufknallen des Telefonhörers beantwortet.

bim