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Über Deiche, Gräben und Fleete

■ Mit dem grünen Deichhauptmann Gerold Janssen unterwegs im Wümme-Gebiet Vierzig BremerInnen wollten etwas genauer über'n Deich gucken

Er ist zwar ein Hauptmann, trägt aber weder Uniform noch Lametta auf den Schultern. Und sein Dienstgefährt ist kein Mercedes, sondern ein uraltes schwarzes klappriges Damenrad. Gerold Janssen ist kein normaler Hauptmann, er ist „Deich„ -Hauptmann. Mit dem Militär hat er nichts am Hut, der unermüdliche Umweltschützer und langjährige Hollerlandkämpfer.

Am Samstag mittag war er so

zusagen im Dienst. Denn der Bremer Deichverband „am rechten Weserufer“ - so heißt das ganz genau - hatte zu einer Info -Radtour eingeladen. Etwa 40 Interessierte waren ins Wümme -Gebiet im Bremer Nordosten geradelt, um einmal etwas genauer über'n Deich zu gucken.

Treffpunkt war der protzige Verwaltungsbau des Verbandes am Lehester Deich/Ecke Kreuzdeich, ironisch „Deichschloß“ genannt. Seit zwei Jahren residieren hier jedoch nicht mehr die traditionellen Deichgrafen, sondern UmweltschützerInnen. Bei den Deichamts-Wahlen hatte damals die „Naturschutzliste“, initiiert von Gerold Janssen, 21 von 30 Wahlkreisen gewonnen und damit das „Deichschloß“ im Sturm erobert. Die (auch vom Landesrechnungshof monierte) Verschwendung des Deichverbandes vor allem aber die Gleichgültigkeit des Verbandes gegenüber dem Naturschutz hatte damals die UmweltschützerInnen auf den Plan gerufen. Und so war eine der ersten Amtshandlungen der neuen grünen Deichverbands-Mehrheit die Verankerung des Naturschutzes in der Satzung. Daß sich seitdem einiges getan hat, davon konnten sich die z.T. mit Fernglas und Rucksack aus

gerüsteten DeichradlerInnen überwiegend älteren Jahrgangs am Samstag selbst überzeugen.

„Wir kümmern uns um den Schutz des Landes vor Hochwasser und um die naturgemäße Pflege aller Deiche und Gewässer“, erläutert ein Mitarbeiter des Deichamtes. Und da gibt's bei den 70 Kilometern Landesschutzdeich und den 650 Kilometern Wasserläufen 'ne Menge zu tun, wie wir erfahren. Auf einer Landkarte wird uns die enorme Ausdehnung des Gebietes demonstriert, von dem wir uns 12 km etwas genauer ansehen werden.

Und schon geht's los, gut gelaunt mit Kind und Kegel per Drahtesel über den Kreuzdeich, vorbei an glücklich wiederkäuenden Kühen auf saftigen Wiesen, gut erhaltenen und schön restaurierten Bauernhöfen. So weit das Auge reicht: Wasserlöcher, Gräben, Schilf und Wiesen - beste Lebensräume für Pflanzen-und Tierwelt. Nur gelegentlich muß man aufpassen, wenn sich nämlich ein wild gewordener Bremer Didi Thurau zum Überholmanöver anschickt.

Unser erster Halt ist eher zufällig: der CDU-Ortsamtsleiter Kaemena kommt der Gruppe entgegen und legt sogleich auf Plattdütsch los. Verstanden hab ich

nicht viel, nur daß das Wasser in Oberneuland besser geworden sei, was den Deichhauptmann sichtlich freut. Die beiden scheinen sich gut zu verstehen.

Im Borgfeld wird uns erklärt, daß hier ein seit Jahren geplanter neuer Deich gebaut werden soll, was dem neuen Deichamt aber aus ökologischen Gründen gar nicht gefällt. Hier kollidieren die Interessen von Landwirten, Baulöwen und NaturschützerInnen.

Und weiter geht's, immer den Deich längs. „Hier haben wir die Böschungen abgeflacht, Gräben ausgebuchtet und am Uferrand Schwertlilien, Wasseriris und verschiedene Schilfarten gepflanzt“, so ein Mitarbeiter, als wir am Deichschlot entlangradeln: „Das ist jetzt ein tolles Biotop. Nur die Bisamratten, die lieben steiles Ufer und fühlen sich nicht mehr wohl.“ Aber das sollen sie auch nicht, weil sie die Deiche unterhöhlen.

Am nächsten Haltepunkt erfahren wir, daß in den Wümmeniederungen der Wasserstand teilweise um bis zu 25 cm angehoben worden ist. Der alte Deichvorstand hatte sich lange gegen höhere Wasserstände gewehrt. Kein Wunder, denn damals hatten Landwirte ohne höheren Sinn für Feuchtbiotope das Sagen.

RaS

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