: Knastaufstand in Rangun
■ 1.000 Gefangene sollen in Ranguner Knast erschossen, mehrere tausend andere freigelassen worden sein / Oppositionelle Studenten organisieren sich erstmals öffentlich
Rangun (dpa/taz) - Etwa 1.000 Häftlinge, die während eines Großfeuers und einer anschließenden Gefangenenrevolte im Zentralgefängnis der birmanischen Hauptstadt Rangun flüchten wollten, sind wahrscheinlich vom Wachpersonal erschossen worden. Das erklärten am Sonntag offizielle Kreise in Rangun, die nicht genannt werden wollten. Dies widersprach Meldungen des staatlichen Rundfunks, der am Freitag von 36 Erschossenen gesprochen hatte. Insgesamt kamen vermutlich 1.500 Gefangene ums Leben.
Nach Angaben eines Regierungssprechers entstand das Feuer am Freitag durch Brandstiftung in einer der Zellen für politische Gefangene. Die Flammen, die mehrere Stunden lang nicht unter Kontrolle zu bringen waren, hätten einen Großteil der Aufenthaltsräume der Häftlinge und des Wachpersonals zerstört. Die Wachmannschaften hätten in dem allgemeinen Chaos von ihren Schußwaffen Gebrauch gemacht, um eine Massenflucht zu verhindern. Nach dem Ende der Feuersbrunst waren im Laufe des Samstags aus dem Gebäude, in dem normalerweise rund 10.000 Häftlinge sitzen, Tausende von Gefangenen freigelassen worden. Sie wurden von einer ebenfalls Tausende zählenden Menschenmenge vor dem Gefängnis erwartet und mit Lebensmitteln beschenkt. Bei der Begrüßungsaktion, die von Studenten mit rotweißen Stirnbändern organisiert wurde, waren keine Polizisten oder Militärs zu sehen. Nach Ansicht von Beobachtern war die Massenfreilassung keine politische Konzession an die seit Wochen demonstrierenden Regimegegner, sondern schiere Notwendigkeit. Das Gefängnis biete keinerlei Möglichkeiten mehr für die Unterbringung und Versorgung der Häftlinge.
Birmanische Studenten haben sich am Sonntag über das seit 26 Jahren bestehende Organisationsverbot hinweggesetzt und sich in einer Studentenorganisation zusammengeschlossen. Ihr Vorsitzender Min Ko Naing rief auf dem Gelände der Universität 50.000 Kommilitonen zu: „Wir wollen Demokratie.“ Unterdessen forderte innerhalb von drei Tagen ein dritter potentieller Oppositionsführer Birmas den Rücktritt der Regierung. Der ehemalige Armee-Stabschef Tin Oo verlangte, sofort eine Übergangsregierung einzusetzen. Jedes Zögern komme einem politischen Verbrechen gleich, sagte der 1976 wegen Verwicklung in einen Putschversuch inhaftierte und 1980 amnestierte Tin Oo.
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