Anschlag nach Auslieferung von IRA-Mann

■ Irland lieferte IRA-Mitglied Robert Russell an britische Polizei aus / Hunderte von IRA-Anhängern versuchten den Gefangenentransport aufzuhalten / Bombenanschläge und Schießereien in mehreren Städten Nordirlands / Mindestens sechzehn Menschen verletzt

Dublin/ Belfast (ap/taz) - In mehreren Städten Nordirlands kam es am Wochenende zu einer Welle heftiger gewaltsamer Auseinandersetzungen. Mit zahlreichen Bomben- und Brandanschlägen protestierten Anhänger der Untergrundorganisation Irisch-Republikanische-Armee (IRA) gegen die Auslieferung des IRA-Mitglieds Robert Russel durch irische Behörden an die britische Polizei. Hunderte von IRA -Anhängern hatten in Dublin und an der Grenze gewaltsam versucht, den Gefangenentransport aufzuhalten. Wenige Stunden danach krachte es in Belfast und Nordirlands zweitgrößter Stadt Londonderry sowie in Newry an allen Ecken und Enden.

Bis Mitternacht zählte die nordirische Polizei 197 Angriffe auf Polizeibeamte und -einrichtungen, 23 Schußwaffen- und 17 Bombenanschläge und 56 Fälle von Kraftfahrzeugraub. Ein Teil der entwendeten Fahrzeuge wurde angezündet, andere wurden mit Sprengsätzen oder Bombenattrappen präpariert.

Nach amtlichen Angaben wurden im Lauf des Samstags elf Polizisten, ein britischer Soldat und vier Zivilisten verletzt, darunter ein zweijähriger Junge, der einen Streifschuß abbekam, als Heckenschützen in Belfast auf eine Streife der britischen Streitkräfte schossen.

Der jetzt ausgelieferte 30jährige Robert Russell wurde 1985 zu drei Jahren Haft verurteilt, weil er 1984 einen Ausbruchsversuch aus dem südirischen Hochsicherheits -Gefängnis in Portlaoise unternommen hatte. Er saß dort in Untersuchungshaft, nachdem die nordirischen Behörden seine Auslieferung beantragt hatten. Russell war einer von 38 IRA -Gefangenen, die 1983 bei einem Massenausbruch aus dem Gefängnis Long Kesh bei Belfast entkommen konnten. Wegen Mordversuchs an einem Polizisten war er zu 20 Jahren Haft verurteilt worden, von denen er bis zu seiner Flucht erst drei Jahre hinter sich hatte.

Russells Berufungsverhandlung gegen die geplante Auslieferung wurde im letzten Jahr zu einem Präzedenzfall. Sein Verteidiger, der inzwischen verstorbene Friedensnobelpreisträger Sean McBride, argumentierte, daß Russell als politischer Gefangener nicht ausgeliefert werden dürfe. Das höchste irische Gericht entschied jedoch mit knapper Mehrheit, daß „jede Aktion, die eine Reintegration des Staatsgebiets zum Ziel hat“, verfassungswidrig sei, wenn sie nicht von den staatlichen Organen selbst ausgeführt werde. Dieses höchstrichterliche Urteil ebnet den Weg für die Auslieferung zahlreicher IRA-Gefangener in südirischen Gefängnissen.