: Verantwortung liegt bei Scholz
Verteidigungsminister Scholz hat „entschieden, daß Kunstflugvorführungen für alle Zukunft nicht mehr stattfinden“ - doch die rechtliche Grundlage und der politische Gehalt dieser Entscheidung blieben gestern in Bonn völlig im Unklaren. Konkret bedeutet die Verlautbarung zunächst nur, daß neben der bereits abgesagten Teilnahme der Luftwaffe in Lechfeld mit den Amerikanern vereinbart wurde, auch den Flugtag auf dem US-Stützpunkt Hahn/Hunsrück am 4.September abzublasen.
Die westdeutsche Luftwaffe führt seit einem Unglück zu Beginn der 60er Jahre keine expliziten Kunstflüge mehr vor, sondern nur „Figuren aus dem normalen Übungsbetrieb“, so das Verteidigungsministerium.
Die Entscheidung des Ministers über Kunstflugvorführungen ist also „eine Anordnung“ gegenüber den Alliierten, zu der Scholz „nach erster rechtlicher Prüfung“ das Recht habe. Hartnäckig weigerte sich die Hardthöhe gestern, die logische Konsequenz auszusprechen: Scholz hatte auch bereits am Freitag die Möglichkeit, eingeschränkte Souveränität der BRD hin oder her, die Veranstaltung in Ramstein abzusagen. Dazu gibt im übrigen das Luftverkehrsgesetz der Bundesrepublik die Möglichkeit: Dort heißt es klipp und klar, daß militärische Flugschauen der Genehmigung des Verteidigungsministers bedürfen. Nach einem Unglück hatte bereits der damalige Minister Wörner versprochen, daß künftig der Inspekteur der Luftwaffe persönlich diese Entscheidungen treffen werde.
Doch um die Verantwortung für die Genehmigung vor dem Unglück laviert die Hardthöhe nun herum: Eine separate Einzelgenehmigung für diesen Flugtag sei nicht erforderlich gewesen, behauptete Sprecher Dunkel gestern. Scholz habe nur das militärische Sonntagsflugverbot für diesen Tag aufgehoben. Rechtsgrundlage für die Flugtage sei das Standardisierungsabkommen (STANAG) mit den Alliierten, das in Ausfüllung des Nato-Truppenstatuts die Sicherheitsregularien festlege. In diesem Abkommen werden Kunstflüge aber explizit gar nicht genannt.
Experten wie der grüne Friedensforscher Mechtersheimer waren gestern mittag noch davon ausgegangen, daß das Nato -Truppenstatut geändert werden müsse, um von deutscher Seite alliierte Flugtage verbieten zu können. Nach neuester Rechtsauffassung auf der Hardthöhe ist nun aber die politische Verantwortlichkeit für das Unglück um so mehr in das eigene Haus verlagert worden. Ramstein hätte verboten werden können, doch dem Minister schien „die öffentliche Sicherheit gewährleistet“. Menschliches Versagen habe es bei den Piloten, nicht jedoch beim Minister gegeben.
Ch. Wiedemann/ Bonn
Hessen verbietet
Unterschiedliche Reaktionen liegen aus den Bundesländern vor. Während sich die bayerische Staatsregierung bis auf ein Beileidstelegramm zu einer politischen Reaktion noch nicht in der Lage sah („die Urlaubszeit, Sie verstehen...“), verfügte die hessische CDU-Landesregierung ab sofort ein Verbot für Formationsflüge von Militärmaschinen mit Strahlantrieb bei zivilen Flugveranstaltungen. Auch in Schleswig-Holstein wird es in Zukunft keine Kunstflugvorführungen mehr geben. Der saarländische Innenminister Läpple wies auf die langjährigen Forderungen der Landesregierung nach einem absoluten Verzicht aller Luftkampf- und Abfangjagdübungen über bewohntem Gebiet hin. Ein Sprecher der niedersächsischen Landesregierung erklärte der taz, die Regierung Albrecht sei nach dem Absturz eines Militärhubschraubers bei der Internationalen Luftfahrtschau in Hannover im Mai '88 zu einer „äußerst restriktiven Einzelfallprüfung“ nach Paragraph 24 Luftverkehrsgesetz übergegangen.
marke/ Berlin
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