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Horror zwischen Preßspanwänden

■ Steglitzer Bauträger in SO 36 beim illegalen Ausbau eines Dachgeschosses für polnische Aussiedlerfamilien ertappt / Bezirk wußte nichts davon / Baustadtrat Orlowsky: Ungenehmigte Sammelunterkünfte wahrscheinlich auch noch in Schwarzarbeit hochgezogen

Gar merkwürdige Aktivitäten nahmen vor rund zwei Wochen die Mieter des Hauses Muskauer Straße 27 bei einem Blick in ihren Hinterhof erstmals wahr. Sie sahen, wie von einem Lastwagen jede Menge Matratzen, Decken und Stühle in ein leerstehendes zweistöckiges Quergebäude gebracht wurden. Verstärkte Handwerkerarbeiten im Inneren des Gebäudes ließen bei ihnen in den nächsten Tagen dann die Vermutung fast zur Gewißheit werden, daß an Ort und Stelle ohne jede Ankündigung wohl Aussiedler untergebracht werden sollten, die dringend eine Wohnung suchen. Und tatsächlich: „Wir wollen dieser Notsituation auch ein wenig abhelfen“, bestätigte der Hausverwalter und Immobilienmakler Oliver Petereit. Wie, das zeigte die angebotene Besichtigung des „beinahe bezugsfertigen“ Dachgeschosses. „Fachfirmen“, so Petereit, hatten augenscheinlich in höchster Eile sechs unterschiedlich große Räume mit weißgetünchten Preßspanwänden abgeteilt. Gleichfalls das Werk von Profis waren nach seinen Worten, krumm und schief montierte Elektrokabel, nicht paßgerecht eingebaute Türrahmen, schlecht oder gar nicht schließende Thermopen-Fenster und ein wellig verlegter neuer PVC-Fußbodenbelag. Der Makler: „Wir sind gerade dabei, Duschen und Sanitäreinrichtungen einzubauen und wollen für 250.000 Mark auch die beiden anderen Etagen nach und nach für Aussiedler renovieren. Hier im Dachgeschoß sollen auf einer Gesamtfläche von etwa 115 Quadratmetern zwischen 14 und 17 Leute wohnen.“ Sämtliche Bauarbeiten seien vom Bezirksamt Steglitz abgesichert und Verträge über die Zuweisung von Aussiedlerfamilien zu einem Tagessatz in Vorbereitung. Vereinbart ist gar nichts, ich prüfe erst mal die Solidität der ganzen Geschichte“, korrigierte demgegenüber der zuständige Sachbearbeiter in der Steglitzer Sozialverwaltung, Hartung, die Darstellung in einem wesentlichen Punkt. Mit dem Makler Petereit als Bevollmächtigtem einer Steglitzer „ERWO-Bauträger-GmbH“ sei lediglich ein unverbindliches Gespräch geführt worden, nachdem die Gesellschaft in insgesamt vier Bezirken Wohnungen für Aussiedler angeboten habe.

Der betroffene Bezirk Kreuzberg wußte indes bis zum Wochenende nichts von dem Angebot und den heimlichen Bauarbeiten. Der aus allen Wolken gefallene Baustadtrat Orlowsky (diese Stilblüte muß bleiben! d.Red.): „Noch am Dienstag wird unsere Bauaufsicht für das Dachgeschoß eine Nutzungsuntersagung aussprechen. Wahrscheinlich gab es dort auch illegale Schwarzarbeit. Die vorgesehene gewerbliche Zimmervermietung ist eindeutig ein Verstoß gegen das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum. Arbeiten wie der Einbau von Toiletten hätten nach der Bauordnung auch erst genehmigt werden müssen.“

thok

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