piwik no script img

Hallo Leute

■ Schelte für die Autoren der „Briefe aus dem Knast“

Ich find‘ die „Briefe aus dem Knast“ in der Mehrzahl schlicht zum Kotzen; ewig diese weinerlichen Beschwerden über schlechtes Essen und miese Behandlung, immer mit dem Hinweis auf diffuse Dinge wie „Demokratie“ oder „Gerechtigkeit“ gekoppelt. Ganz schlimm finde ich solche Briefe, wie den an „Oberst Ghadaffi“, die einen erschreckenden Realitätsverlust erkennen lassen. Inwiefern ist der Vogel denn besser und gerechter, als die anderen Knastbetreiber?

Zu dem ewigen Argument, daß doch die aktuellen Haftbedingungen einer Demokratie nicht würdig sind und wenn die Leute wüßten, was im Knast los ist, dann würde sich da schnell was ändern, fällt mir nur der Spruch aus den vierziger (und fünfziger) Jahren ein: „Tja, wenn der Führer das wüßte ...!“

Tatsächlich sind diese Zustände eher ein Spiegel des Volkswillens, denn die absolute Mehrheit der Spießbürger ist der Meinung, die Zustände in den Knästen hätten Hotelcharakter und es müßte mit den Knackis noch härter umgesprungen werden. Natürlich ändert sich diese Meinung unverzüglich, wenn so einer, in der Regel wegen Steuerhinterziehung, mal kurzfristig den Knast zu schmecken bekommt. Ich hab‘ da Legionen von gesehen. Der Metzgermeister, der zigtausend Mark Steuern hinterzieht und für sich Freispruch, für den Autodieb aber die Todesstrafe fordert.

Und was die „Gerechtigkeit“ angeht, so ist es ja der Spießbürger, der diese Justiz rekrutiert und bestallt, um seine Interessen zu wahren, und wenn ich dann, wie in diesem Brief aus Kassel lese, man wolle nun ebendiese Justiz bemühen, um sein „Recht“ zu bekommen, da dreht sich mir der Magen um! Wie kann man nur so dumm sein?

In Wirklichkeit gibt es nur zwei Möglichkeiten, mit diesen Instanzen umzugehen: Da wäre einmal die totale Unterwerfung; man macht seinen Knast ab und akzeptiert hinfort die aufgestellten Normen und auch, daß man eben ein Sklave ist, mit dem man machen kann, was man will.

Die andere Möglichkeit kommt in einem kleinen Witz zum Ausdruck, wobei ich natürlich dem hier mitlesenden Staatsschutz versichern möchte, daß das nur ein Witz ist:

Ein Mann kommt auf einen Bauernhof und trifft einen kleinen Jungen, der auf einem Trecker sitzt. Er fragt ihn:

„Na, Kleiner, wo ist denn deine Mutti?“

„Die ist gestorben!“

„Ja, woran denn?“

„Vom Trecker überfahr'n.“

„Und wo ist dein Papi?“

„Auch vom Trecker überfahr'n.“

„Ja, was machst du denn den ganzen Tag, Kleiner?“

„Treckerfahr'n.“

Wenn ich das richtig verstehe, ist der Sinn dieser Leserbriefseite, für Briefe aus dem Knast, die Leute draußen darüber aufzuklären, was drinnen abgeht. In diesem Kontext sind selbstmitleidige Schreiben in weinerlichem Tonfall und mit dem infantilen Ruf nach Gerechtigkeit, adressiert an dieselbe Justiz, die eben diese Ungerechtigkeit induziert, völlig verfehlt. Denn die Leute draußen sind entweder völlig indifferent, weil sie das Problem eben nicht persönlich betrifft oder sie sind völlig einverstanden mit der Behandlung.

Und um das mal ganz klar zu sagen: daß der Knast überhaupt funktionieren kann, liegt nicht zuletzt daran, daß die meisten Knackis eben feige Arschlöcher sind, ganz das Äquivalent des Spießbürgers draußen. Denn ohne die aktive Mitarbeit der Gefangenen, kann kein Knast funktionieren; und das ist wohl eher ein Thema, das es sich auf so einer Leserbriefseite zu diskutieren lohnt.

R.B., zur Zeit Lyon

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen