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Herrenreiter nehmen jede Hürde

■ Aachen bewilligte 80.000 Mark Preisgelder für das internationale Springturnier, die nie bei den Siegern ankamen / Der Reit-Club will das Geld nicht zurückzahlen und hat den Stadtdirektor auf seiner Seite / Grüne fühlen sich als „Erfüllungsgehilfen des Honoratiorenklüngels“

80.000 Mark sind weg. Diese Summe städtischer Zuschüsse wurden durchaus legal, im Frühjahr den Veranstaltungen des Aachener Reitturniers CHIO überwiesen. Gedacht waren sie als Sieggelder für den „Großen Preis von Aachen“, der jedes Jahr im Juli bis zu 50.000 Zuschauer anzieht. Doch dort kamen sie nie an. Zahlte der Rennverein die hochhüpfenden Herrenreiter doch erstmalig aus Privattöpfen, gestiftet von der Aachener und Münchener Versicherungsgruppe. Die Pferdefreunde hatten somit doppelt kassiert. Was die Stadtverwaltung angeblich nicht merkte, obwohl der edle Spender in allen Medien genannt wurde, griffen nun die Aachener Grünen auf. Beteiligt sind drei ehrenwerte Herren: der Oberstadtdirektor Berger (CDU), der Pferdechef und Multifunktionär Konsul Hugo Cadenbach und der Versicherungsoberste Helmut Gies.

Berger erklärte nun, die 80.000 Mark - entgegen aller Ratsbeschlüsse - schnell und nachträglich zur anderweitigen „Spende“. Cadenbach jammerte, man sei auf das Geld angewiesen, denn ohne Geld kein Turnier, also kein „Großer Preis von Aachen“, also keine Werbewirkung für die Stadt. Und Gies erklärte, die 132.000 Mark Preisgeld seien erst kurz vor Turnierbeginn gezahlt worden. Nur die Grünen sind empört. „Wir sind wohl“, sagt Sprecherin Inge Ulpenich, „als Ratspolitiker nur noch Erfüllungsgehilfen des Honoratiorenklüngels.“

Die grünen Oppositionellen sprechen von strafbarer „ungerechtfertigter Bereicherung“ und wurden aktiv: Der Regierungspräsident wurde schriftlich aufgefordert, „umgehend tätig zu werden“, und „die offenbare Zweckentfremdung sofort zu beenden.“ Damit wird der Handstreich des Herren-Trios erst richtig pikant. Die drei sind nämlich schon in der Vergangenheit durch merkwürdige Gemeinsamkeiten bekannt geworden. Verwaltungschef Berger empfahl noch vor Monatsfrist, im Haushalt '89 einen rigiden Sparkurs zu fahren. 1,5Millionen will er im Jugend-, Kultur und Sportbereich kürzen, und stürzt damit Organisationen wie den Kinderschutzbund (Zuschuß von 25.000 runter auf 15.000) an die Existenzgrenze. Die Zuschüsse an des Konsuln Cadenbachs Hüpferclub sollen jedoch mehr als verdoppelt werden.

Oberversicherer Gies ist gerade dem Regierungspräsidenten kein Unbekannter. Als Gies nämlich kürzlich nach einem Grundstückskauf eine obskure Befreiung von der Grunderwerbssteuer in Höhe von 200.000 Mark zuteil wurde, eröffnete der Regierungspräsident im Juli ein Disziplinarverfahren gegen die zwei höchsten verantwortlichen Aachener Beamten.

Einer von ihnen ist Verwaltungschef Berger. Und Cadenbach, neben vielen Ehrenämtern auch Hororarkonsul der Niederlande. Der weiß Berger und Gies in dem von ihm geleiteten, und ebenso bekannten wie umstrittenen „Karlspreis„-Kuratorium (Preisträger '87: Henry Kissinger, 1988: Mitterand und Kohl) neben sich. Er kann auch Auskunft geben, in welchen Kanälen denn die 80.000 mittlerweile verschwunden sind: Das Geld sei „höchst sinnvoll“ zum Ausbau der Kanalisation auf dem Turnierplatz verbuddelt worden.

Bernd Müllender

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