: Der Amazonasdschungel wird zur Wüstenlandschaft
■ Brandrodung hat verheerende Folgen für das ökologische Gleichgewicht
Rio de Janeiro (afp) - Vor einigen Tagen mußte der Flughafen von Porto Velho, Hauptstadt des westbrasilianischen Bundesstaates Rondonia geschlossen werden. Dichte Rauchwolken, die von enormen Feuersbrünsten im tropischen Regenwald herrührten, ließen den Luftverkehr zu gefährlich werden. Die Behinderung des Flugverkehrs ist allerdings eher ein Randproblem, verglichen mit den katastrophalen ökologischen Folgen, die die Brände im Amazonasdschungel verursachen. So verschwindet jedes Jahr ein Teil des tropischen Regenwaldes hinter riesigen Rauchwolken und verwandelt ein Gebiet in Größe der Bundesrepublik in eine leblose Wüste.
Diese riesigen Feuersbrünste, die durch die Brandrodung verursacht werden, richten nach Schätzungen Schäden in Höhe von rund 60 Milliarden Dollar im Jahr an. Die wirklichen Ökologischen Schäden lassen die Zahlen des Nationalen Institus für Raumforschung (INPE) jedoch nur erahnen: 240.000 Quadratkilometer Wald verbrennen in jedem Jahr. Nach Meinung von Alberto Setzer, einem Wissenschaftler des INPE, muß in diesem Jahr mit einem weiteren Anstieg um rund 30Prozent gerechnet werden. Ein ganzes Jahrhundert wäre vonnöten, um den Wald auf den durch die Feuer zerstörten Flächen wieder aufzuforsten, schätzen Experten. Der Wert der Bäume, die im Ausland teuer verkauft werden könnten, beträgt rund 60 Milliarden Dollar, was ungefähr der Hälfte der jährlichen Auslandsschulden Brasiliens entspricht.
Diese zunehmende Zerstörung der Waldflächen des Amazonas, oft als „grüne Lunge des Planeten“ bezeichnet, hat verheerende Folgen für das ökologische Gleichgewicht der ganzen Erde. Neben der Brandrodung wird das Problem durch das Auftreten von unbeabsichtigten Waldbränden noch weiter verstärkt. So wurden beispielsweise in diesem Jahr drei große brasilianische Waldschutzgebiete mit einer Fläche von 185.000 Quadratmetern Opfer der Flammen, in denen unter anderem Tausende von Straußen lebten.
Jedes Jahr erstrecken sich so immer wieder, oftmals über eine Länge von tausend Kilometern hin sichtbar, riesige Rauchsäulen über das gesamte Gebiet des tropischen Regenwaldes. Dabei werden jedes Jahr 250 Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre oberhalb des Amazonasbeckens abgegeben, erklärt Phillip Fearnside, Spezialist am Institut für Amazonasforschung (INPA). Dies greift nach Meinung der Experten die bereits beschädigte Ozonschicht unseres Planeten noch weiter an und erhöht damit auch den sogenannten Treibhauseffekt, der ein Ansteigen der Temperaturen auf der Erdoberfläche bewirkt. Auf der Erde zerstören die riesigen Waldbrände zugleich nach Untersuchungen des INPA und des World Wildlife Fonds (WWF) die Humusschicht des Bodens bis in 20 Zentimeter Tiefe, was die Erosion begünstigt. Die Temperatur in den benachbarten Gebieten steigt gleichfalls um bis zu vier Grad, ein Viertel der Luftfeuchtigkeit wird absorbiert, Millionen von Mikro -Organismen und Kleinlebewesen werden getötet, Insekten und viele vom Aussterben bedrohte Tierarten sterben für immer aus.
Die Brandrodung wird in nächster Zeit jedoch kaum aus der Welt zu schaffen sein, da in Brasilien weder die materiellen Voraussetzungen durch eine ausgeglichene Agrarstruktur noch die menschliche Einsicht vorhanden sind, um dem Ackerbau auf verbrannten Waldböden ein Ende setzen zu können. Das für die 28 Nationalparks und 16 biologischen Reservate des größten lateinamerikanischen Landes zuständige Institut (IBDF) ist daher mit der zusätzlichen Schutzaufgabe für diese Gebiete völlig überfordert. So besitzt das IBDF beispielsweise zur Überwachung des 42.000 Quadratkilometer großen Waldes Alta Floresta, der alleine eine Fläche in Größe der Schweiz bedeckt, nur ein Auto und zwei Aufseher, um gegen Brandstifter vorgehen zu können.
Zu großen Teilen ist die schleppende Verwirklichung der Agrarreform in Brasilien Schuld daran, daß Hunderte von Familien Gemeinschaften gründen und sich in die dünn besiedelten Gebiete im Westen des Landes aufmachen, um dort nach dem Abbrennen eines Waldstückes Landwirtschaft zu betreiben. Viele kehren aber nach dem Verkauf des Holzes, das ihnen einen einmaligen und schnellen Gewinn beschert, wieder in die „Favelas“ der Großstädte zurück, und das Land verödet.
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