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„Lafontaine ohne Grundlinie“

■ SPD-Vorstandsmitglied Peter von Oertzen zu Lafontaines Rede

taz: Sie haben den wirtschaftspolitischen Leitantrag des Parteivorstands als „Kunstfleisch“ mit „Ketchup-Sauce“ bezeichnet.

Peter von Oertzen: Das war eine saloppe, private Formulierung. Meine Hauptkritik ist, daß der Vorstandsantrag erstens keine zusammenhängende Analyse der Ursachen der gegenwärtigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten enthält und daß die angedeutete Ursachenerklärung, nämlich Nachfragemangel, das entscheidende Problem der öffentlichen und privaten Investitionen ausspart. Zweitens bleibt der gesamte vorgeschlagene Maßnahmenkatalog lückenhaft und ungenau.

taz: Welche Gegenvorschläge haben Sie denn?

Wir schlagen zum Beispiel ein auf zwölf Jahre begrenztes umfassendes Investitionsprogramm für strukturelle Verbesserungen vor, vor allem in der Umweltpolitik, dem Verkehrswesen, aber auch der Gesundheitsvorsorge. Dieser Fonds soll finanziert werden durch eine von uns „Solidarsteuer“ genannte Abschöpfung nicht-investierter Gewinne oder auch nicht-konsumierter höherer Einkommen.

Hat Lafontaine in seiner Rede heute nicht das geboten, was Glotz einmal so bezeichnet hat: Die SPD müsse dem Kapital „vernünftige Verwertungsbedingungen“ schaffen?

Der ökonomische Gehalt von Lafontaines Referat ist so dünn, daß nicht einmal diese Konsequenz daraus abgeleitet werden kann. Da ist weder eine richtige noch eine falsche ökonomische Grundlinie, sondern gar keine.

Seine Positionen zur Ausweitung von Schicht- und Sonntagsarbeit kommen doch den Produktionsnotwendigkeiten, so wie das Kapital sie sieht, entgegen.

Ja, aber seine Vorstellungen zur Energiebesteuerung und zum Grundeinkommen liegen wieder auf einer anderen Linie. Das Problem seiner Vorstellungen ist die Zusammenhanglosigkeit.

Teilen Sie auch die Kritik Steinkühlers, Lafontaine wolle sich ans Kapital oder den künftigen Koalitionspartner FDP anbiedern? Haben Sie seine Rede heute so empfunden?

Seine Parteitagsrede sollte die Delegierten emotional beeinflussen, um ihm als einem der künftig entscheidenden Führer der SPD eine Mehrheitsgrundlage zu verschaffen. Es war mehr eine psychologische als eine politische Rede. Das scheint bei den Delegierten gut angekommen zu sein. Und ich habe leider beobachtet, daß die Hälfte der Delegierten bei dem sachlich fundierten Gegen-Beitrag von Steinkühler keine Hand gerührt hat.

Interview: Jakobs/ Wiedemann

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