: LUFTAKROBAT SCHÖÖÖN
■ Von deutschem Boden darf nie wieder ein Kunstflug ausgehen
Weil die fröhliche Flugschau durch den Absturz der „Trikoloren-Pfeile“ zur grausamen Grillparty wurde, ist man multimedial mal wieder sturzbetroffen. Die Geiseln Wahnsinn, Tragödie, Drama - sind von Ramstein - Desaster, Katastrophe, Inferno - abgelöst. Eins nur wundert: daß heute schon Freitag ist, und Bayern noch immer nicht vorgeführt hat, wie man gefahrlos Loopings fliegt. Wo doch ansonsten Sekretär Gauweiler auf jeden „Skandal“ springt wie der Rammler aufs Karnickel und zudem der Landesvater höchstselbst mit Flugbenzin getauft ist und ohne weiteres ein paar Runden überm Stachus ...
Aber nein, aus München tönt es wie unisono aus Bonn und Mainz: die Luftshow, der Kunstflug, die Akrobatik sind schuld. Und die Republik nickt. Die einen haben es schon immer genau gewusst, den anderen war es noch nie geheuer und die dritten sind exakt seit Sonntag plötzlich ganz sicher: Von deutschem Boden darf nie wieder ein Kunstflug ausgehen.
Hach, wie da die Nation wieder zusammenrückt. Es weht ein Hauch von Besatzungsland: Wir würden das sofort verbieten, aber wir können ja gar nicht. Der gesichtslose Jurist, der im TV ein Verbot „militärischer Kunstflugvorführungen“ verkündet, hat nichts zu sagen, obwohl er Minister ist, das deutsche Wesen ist nicht Herr der eigenen Lüfte. Wer die Stimmung mißt, die bei dem Gedanken an das Volk ohne Luftraum in deutschen Wohnzimmern herrscht, weiß, warum es nichts schaden kann, wenn die Amerikaner noch ein bißchen bleiben.
Daß die italienischen „Teufelskerle“ sich bereits zur nächsten Show rüsten, stößt allenthalben auf Kopfschütteln, denen, die es schon immer wußten, stößt die US-Armeespitze sauer auf: die Amis halten air shows als militärische PR für unverzichtbar. Und liegen damit völlig richtig, denn recht besehen sind solche Vorführungen das einzige, was wir als Steuerzahler guten Gewissens vom Militär verlangen können. Diese wunderbaren, schallschnellen, wendigen Maschinen, dieses ganze grotesk teure Gerät - wozu soll das gut sein? Die Ächtung und Abschaffung des Kunstflugs kommt der Auforderung gleich, sich militärisch gefälligst auf Spionieren/ Bombadieren/Liquidieren und die Übung desselben zu konzentrieren, gut deutsch: „Mörder bleib bei deinem Leisten“.
Für die Nachkommen des deutschen Mörderpacks kann ein solches Militär nicht tragbar sein, selbst wenn es aus Lärmschutzgründen auf den Tiefflugporno verzichtet. Verbieten, wie es sich gehört, kann man es aber auch nicht einfach - das Hauen und Stechen ist eine liebgewordene alte Gewohnheit, Identitäten, Existenzen und Arbeitsplätze in Massen hängen dran, sowas verschwindet nicht von heute auf morgen.
Was tun? Der Luftwaffe bleibt nur der Looping - jedes Wochenende über der Deutschen Bucht (die Robben stört es nicht mehr) sommers vor den Küsten des Mittelmeers und im Winter um die Kanarischen Inseln - die Luftschauwaffe muss immer dabei sein. Für nichts anderes als Überschallkunst, Hubschrauber-Slalom und Doppel-Loopings ist sie gut. Wenn Abrüstung ernst werden soll, muß Kunstflug zur Pflicht werden.
Mathias Bröckers
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen