: Frieden ohne Schnaps
■ Seit zwei Jahren kämpft eine amerikanisch-sowjetische Konferenz gegen den systemübergreifenden Alkoholismus
Berlin (taz) - J.W. Canty III ist Mitbegründer und Vorsitzender der „Sowjetisch-US-amerikanischen Konferenz über Alkoholismus und Drogenabhängigkeit“. Die 1986 gegründete Organisation wird von US-Bürgern, vom sowjetischen Gesundheitsministerium und der Jugendzeitung 'Komsolmoskaja Prawda‘ unterstützt. Sie organisiert den Austausch von Wissenschaftlern und Prominenten, die gegen Drogenmißbrauch mobil machen. Canty trug dazu bei, in der Sowjetunion die erste offizielle Gruppe der „Anonymen Alkoholiker“ zu gründen. Diese Woche war er in Berlin.
taz: Warum haben Sie dieses Projekt ins Leben gerufen?
Canty: Ich bin der festen Überzeugung, daß der Weltfrieden durch Gesundheit in der ganzen Welt erreicht werden kann, daß Gesundheitsarbeit ein gutes Medium ist, um auf das tatsächlich erreichbare Ziel des Weltfriedens hinzuarbeiten. Grundlage meiner Arbeit ist es also, einen Beitrag zum Weltfrieden zu leisten. Über Frieden zu reden, ist das eine. Am Frieden zu arbeiten, etwas anderes. Mit diesem Projekt wird am Frieden gearbeitet.
Aber warum gerade ein gemeinsames Projekt mit der UdSSR?
Ich meine, daß die Sowjetunion die Hälfte der Welt beeinflußt und die USA die andere Hälfte. Wenn diese beiden Supermächte auf diesem Gebiet zusammenarbeiten, dann wird das weitreichende Folgen haben. Das wird die an Alkoholismus leidenden Menschen in Havanna, Sydney oder Berlin beeinflussen. Das ist ein Traum, der auf dieser Reise zum Teil Realität geworden ist.
Ich war in der DDR und habe dort Gespräche darüber geführt, wie die „Anonymen Alkoholiker“ dort ihre Gruppen ausweiten können.
Wie haben die Menschen in den USA und der UdSSR auf Ihr Projekt reagiert?
In den USA sagt man mir oft: „Na, wenn ich in dem System leben würde, würde ich auch trinken!“ Dabei ist der Alkoholismus eine sehr demokratische Krankheit. Das hat mit Politik nichts zu tun. Es gibt schrecklichen Alkoholismus in Siberien, und es gibt schrecklichen Alkoholismus in Beverly Hills. Aber jeder Schritt, den wir machen, dauert sehr lange.
Wie beeinflußt das gegenseitige Mißtrauen der US- und Sowjetbürger Ihre Arbeit?
Wir machen Gebrauch von diesem Mißtrauen. Zum Beispiel wird Carol Burnett am 4.Oktober zusammen mit ihrer Tochter im sowjetischen Fernsehen auftreten. Die Sowjets wissen nicht, daß Carol Burnett (die selbst alkoholabhängig war - d.Red.) eine der bekanntesten Komikerinnen Amerikas ist. Die werden das Fernsehen anschalten, nur um zu sehen, wer sie ist. Und sie werden eine Sendung über Alkoholismus sehen.
Spielt es in Ihrer Arbeit eine Rolle, daß sie anglikanischer Priester sind?
Ja. Diese Arbeit ist meine Seelsorge. Ich beobachte die Hand Gottes in dem Projekt. In der Sowjetunion war ich zuerst nicht als Priester bekannt. Aber inzwischen, nachdem die Kirche wieder ins Gespräch gekommen ist, werde ich auch in der Presse als Priester beschrieben.
Interview: Hans Brandt
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