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Walesa beendet Streik in Danzig

■ Arbeitskampf gestern nachmittag zu Ende gegangen / Jaruzelski verspricht „konstruktiver Opposition“ Beteiligung an Entscheidungsprozessen

Berlin (dpa/ap) - Die streikenden Arbeiter in der polnischen Hafenstadt Danzig haben gestern nachmittag um 14 Uhr ihren seit 22.August andauernden Arbeitskampf beendet. Gleichzeitig versprach Staats- und Parteichef Wojciech Jaruzelski in einer vom polnischen Rundfunk auszugsweise übertragenen Rede, die „konstruktive Opposition“ an den politischen Entscheidungsprozessen des Landes zu beteiligen. Der polnische Regierungschef Messner reagierte mit einem indirekten Rücktrittsangebot auf die seit Tagen von den offiziellen Gewerkschaften des Landes vorgetragene Kritik.

Mit der Beendigung der Streiks in Danzig folgten die Arbeiter nach heftigen Auseinandersetzungen dem Aufruf des Vorsitzenden der verbotenen Gewerkschaft Solidarnosc, Lech Walesa. Er hatte nach einem Gespräch mit Innenminister Kiszcak am Mittwoch das Ende der Streiks als Voraussetzung für Verhandlungen „in naher Zukunft“ zwischen Regierung und Opposition akzeptiert.

Mit dieser Position stieß Walesa offensichtlich auf massiven Widerstand bei Teilen der streikenden Arbeiter, die Garantien für eine Legalisierung von Solidarnosc forderten. Walesa verteidigte sich, er habe „den unsicheren Weg der Verständigung gewählt“, weil „eine andere Entscheidung nicht möglich war.“ Sein Entschluß sei keine Feigheit, sondern entspringe dem Gefühl der Verantwortung. Er gab sich optimistisch, daß die Gespräche mit der Regierung Pluralismus und legale Bedingungen für die verbotene Gewerkschaft erbringen würden und forderte zur Einheit in Solidarnosc auf.

Der Vorsitzende des Danziger Streikkomitees Szablewski wertete den Streik als Erfolg. Er habe gezeigt, daß die Regierung Solidarnosc nicht übergehen könne. Die jetzt vereinbarten Gespräche über Gewerkschaftspluralismus jedoch wären bei einer Fortsetzung der Streiks unmöglich gewesen. Ob auch die Streikenden in Fortsetzung auf Seite 6

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Stettin, Jastrzebie und Stalowa Wola dem Aufruf zur Beendigung der Streiks nachkommen werden, war bis Redaktionsschluß noch nicht bekannt. Die betroffenen Streikkomitees forderten, daß Walesa vor einer Wiederaufnahme der Arbeit persönlich Einzelheiten seiner Vereinbarung mit Innenminister Kiszczak erläutere. Zudem müßten ihre ökonomischen Streikforderungen erfüllt und ihre Sicherheit gewährleistet werden.

Ministerpräsident Zbigniew Messner gab am Donnerstag „schwere Fehler“ seiner Regierung bei der Bewältigung der gegenwärtigen Krise zu. Als Rücktrittsangebot wurde die von der polnischen Nachrichtenagentur PAP verbreitete Äußerung Messners gewertet, er habe nicht die Absicht vor seiner Verantwortung davonzulaufen.

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