: Staatsgewerkschaft contra Messner
■ Offizielle Gewerkschaften Polens sprechen Regierung Messner Mißtrauen aus / Rücktritt gefordert / OPPZ droht mit Streik
Berlin (dpa/taz) - Die offiziellen polnischen Gewerkschaften haben am Dienstag einen Mißtrauensantrag gegen die Regierung Messner angekündigt und wollen ihn bei der nächsten Sitzung des Parlaments Ende September einbringen.
In einer Sendung des Fernsehens sagte der Vorsitzende der Gewerkschaften, Alfred Miodowicz, auf der Sitzung des Gewerkschaftsrates sei der Rücktritt der Regierung gefordert worden, weil die Regierung für die schlechte Wirtschaftslage und den sinkenden Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung verantwortlich sei. In einer Erklärung, die vom OPZZ -Vorstand in Warschau verabschiedet und vom staatlichen Rundfunk verbreitet wurde, droht die Gewerkschaft mit Streikbereitschaft und anderen „geeigneten Maßnahmen“, sollte ihrer Forderung nicht nachgekommen werden.
Gleichzeitig aber lehnten die Gewerkschaften jeglichen Gewerkschaftspluralismus in den Betrieben ab. Jeder, der sich für die Interessen der Arbeitnehmer einsetzen wolle, könne in die schon bestehenden Gewerkschaften eintreten, dort aktiv werden und das Programm und die Zusammensetzung der Gewerkschaftsführung mitgestalten, heißt es in einer zweiten Entschließung des höchsten Gremiums des offiziell zugelassenen Gewerkschaftsbundes. An die Adresse der Regierung und der Parteiführung gerichtet warnen die Gewerkschaften davor, in den Verhandlungen mit Lech Walesa und Solidarnosc zu weit zu gehen. „Jeder, der ohne unsere Beteiligung über Gewerkschaftsfragen spricht, verliert unser Vertrauen und unsere Unterstützung“, heißt es in der von der amtlichen Nachrichtenagentur PAP veröffentlichten Entschließung. Die Gewerkschaften seien zwar offen, sich an den angekündigten Gesprächen am „runden Tisch“ zu beteiligen. Sie seien jedoch der Meinung, daß nur die Gewerkschaften allein über ihr eigenes Schicksal entscheiden könnten.
Auch für Regierungssprecher Urban ist die Zulassung von zwei Gewerkschaften in den Betrieben nicht akzeptabel. Wenn sich Anhänger einer bestimmten Richtung, die mit Solidarnosc verknüpft war, in einem bestimmten Betrieb in der Mehrheit seien, könnten sie entweder der offiziellen Gewerkschaftsbewegung beitreten und diese in ihre Richtung lenken, oder eine Koalition bilden, erklärte er am Dienstag.
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