Axel von Ambesser

■ Erst links - dann rechts - jetzt tot!

Er war der erstaunlich saloppe Filmliebhaber in zackiger Nazizeit (Frauen sind keine Engel, Regie: Willie Forst). Er war der gentlemen-like Damen verehrende Kinoregisseur der fünfziger Jahre. Da fielen keine groben Worte, geschweige Torten, bei denen Komiker bekanntlich ihr Gesicht verlieren. Ambessers Filme waren feinerer Natur und doch gut verkäuflich (Geliebte Lügnerin mit Romy Schneider). Das Fernsehen der siebziger Jahre belieferte er nicht nonstop, aber immer einen Touch exklusiver als die anderen, mit Entertainment, das durch die Hintertür sogar humanistisch daherkam. So dozierte er auf das Witzigste über Zigeuner und ihre Akzeptanz in unserer Gesellschaft, solange sie sich gefälligst als Gulaschkocher, Czardaztänzer oder Teufelsgeiger in Operetten aufhalten („Aber das ist eine andere Geschichte“, würde der Wirt aus Irma la Douce jetzt sagen). Stellen Sie sich bitte einen alten Patriarchen von noch viel älterem Adel vor. Eines mehr oder weniger schönen Tages, (das Ganze geschah immerhin in den unruhigen zwanziger Jahren) faßt sich der junge Sohn Axel ein Herz, pfeift drauf, daß dieses, na wenn schon (!) adlig ist und pocht darauf, Schauspieler zu werden. Der befürchtete Herzinfakt bleibt aus; der väterliche Tobsuchtsanfall findet nicht statt. Nach kurzer Denkpause kommt die patriarchalischen Forderung: Der Sohn darf nicht unter dem ehrwürdigen Namen seiner Ahnen den „unseriösen“ Beruf ausüben, sondern selbstverständlich nur unter Pseudonym. Also sprach Herr von Österreich: „Axel, Du nennst dich: von Ambesser!“ Aus dnyastischen Gründen? Nein, aus reklametechnischen. Mit dem Original, den ja als Anfangsbuchstabe ein 'Ö‘ ziert, sah es bei alphabetischer Reihefolge auf Theaterplakaten und in Programmheften unvorteilhaft aus. Mit einem 'A‘ aber, so die Überlegung des Vaters, stand dem Beginn einer Karriere nichts mehr im Wege. Väter sind eben voller Überraschungen. Söhne aber auch. Axel gab sich nicht nur des Schauspielstudiums hin, er faßte sich wieder einmal ein Herz, stellte fest, daß dieses links schlug, und pochte (sehr zum Entsetzen des tief getroffenen Hochadels) auf Sozialismus!

Ob nun orthodox marxistisch oder mehr SPD-mäßig, aber regelmäßig, entzieht sich meiner Kenntnis. Und doch habe ich mir vor ein paar Jahren von jenem linken Aristokraten ein Bild machen können, genauer: Es war schon fertig, als ich es erblickte; hing der junge Mann mit dem diskreten Charme der... na, Sie wissen schon... doch tatsächlich in der Wohnküche einer Hamburger Arbeiterfamilie. Das Foto war echt. Das Zimmer, nachgebaut, gehörte zum Besichtigungskomplex „So wohnten deutsche Arbeiter“, innerhalb der Ausstellung 'Vorwärts, und nicht vergessen!‘ Jener Schauspieler, den ich also zu meinem größten Erstaunen als zehnten von rechts im linken Spektrum einer freien Theatergruppe entdeckt hatte, war mittlerweile ein alter Herr, der auf eine schillernde Karriere zurückblicken konnte. Als Regisseur, Schauspieler und Autor. Er hatte einiges am Hals. Zum Beispiel das Bundesverdienstkreuz. Man sah ihn jetzt auf ganz anderen Fotos, zum Beispiel Seite an Seite mit Strauß. Der Ex-linke Grand Signeur neigte nunmehr der CSU zu, verbat sich aber eines schönen Wahlkampftages, von jener Partei in Broschüren und Anzeigen ungefragt als Werbename benutzt zu werden. Fazit: Erst links - dann rechts - jetzt tot! Hinter dieser bewußt burschikos gesetzten Zeile steckt, schlecht getarnt: Meine Traurigkeit! Da ist nämlich, wie Gert Fröbe, der politisch im gleichen (rechten) Lager stand, jemand für immer abgetreten, der die von Humorlosigkeit geprägte „andere Seite“ menschlicher erscheinen ließ; wobei unsere Linke ja nun auch nicht gerade von Herrn von Witzleben beherrscht wird.

Apropos Adel: Dieser Herr von Österreich von Ambesser war ein „von Weizsäcker“ unter den konservativen Künstlern.

Ilja Richter