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„Schweinkram“ um Mitternacht

■ Große Anfrage der AL im Abgeordnetenhaus über die „ungehinderte Verbreitung von harter Gewaltpornographie in Berlin“ wurde parteiübergreifend moralisch diskutiert

Zu später Stunde und vor halbleerem Hause debattierte das Abgeordnetenhaus am Mittwoch über Gewaltpornographie. Aus Anlaß einer Großen Anfrage, die die AL eingebracht hatte, teilte Justizsenator Rehlinger mit, der Senat werde sich für eine Änderung des Pressegesetzes und die Verlängerung der Verjährungsfrist für gewaltverherrlichende Pornovideos von bisher sechs Monate auf drei Jahre einsetzen.

In seiner ersten längeren Rede vor dem Abgeordnetenhaus sagte der Justizsenator, es reiche nicht aus, Gewaltpornographie ausschließlich mit Mitteln der Polizei und Justiz bekämpfen zu wollen. Ein strafrechtliches Verbot, das nicht auf einem allgemeinem gesellschaftlichen Konsens beruhe, laufe ins Leere, so Rehlinger. Das vorhandene gesetzliche Instrumentarium gegen Pornographie hält er für ausreichend, wenn sich alle in der Gesellschaft zusätzlich darum bemühten, „diese entwürdigenden Entgleisungen“ durch Nichtachtung und Ablehnung zu bekämpfen. Der „Sumpf“ könne nicht allein durch Gesetze ausgetrocknet werden.

Rehlinger mühte sich während seiner langen Rede, Worte des Abscheus zu finden. Er sprach von „Auswüchsen“, „Scheußlichkeiten“, von „unappetitlich und gefährlich“, einem „Krebsübel“ und „widerwärtigen Abartigkeiten“. Gleichwohl stellt er am Ende fest, daß es eine „heile, reine Welt“ nicht geben könne.

Doch die Al wollte das Problem praktischer behandelt wissen. Die Staatsanwaltschaft habe offensichtlich kein Interesse Gewaltpornographie zu verfolgen, so der Vorwurf der AL. Helga Hentschel zitierte aus Protokollen der Staatsanwaltschaft über Inhalte von Gewaltpornos. Dort seien gefesselte Frauen, die ausgepeitscht würden, zu sehen; Frauen, die aus der Brustwarze bluteten und Striemen am ganzen Körper hätten; Wäscheklammern würden Frauen an Brustwarzen und Geschlechtsteilen befestigt. All diese Videos hätten zu keinen strafrechtlichen Konsequenzen geführt, betonte Hentschel.

Eine schärfere Kontrolle des Vertriebs von Pornofilmen und der Sex-Shops verlangte die CDU-Abgeordnete Blankenburg. Und auch von SPD-Frauen bekam die AL Unterstützung. Für Helga Korthaase sind die Gewaltpornos „tiefste Frauenerniedrigung gepaart mit männlicher Allmacht“. Es sei höchste Zeit, sich dafür zu sensibilisieren, was Menschenwürde heißt, sagte die Abgeordnete.

bf

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