: Das Berliner Distanzierungssyndrom
Berlin (taz) - Als die Vertreter von über 100 Organisationen der Bundesrepublik letzten Mittwoch zur Pressekonferenz luden, um den zahlreich vertretenen Meinungsmachern ihre Gegenaktivitäten zur Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank vorzustellen, war das dominierende Thema bereits vorprogrammiert.
Beharrlich wollte die versammelte Presse vor allem wissen, wie die Veranstalter es denn mit den „zu befürchtenden Gewaltaten“ der „Autonomen Szene“ hielten und ob es nicht gerade jetzt einen guten Grund gäbe, sich von derartigem zu distanzieren.
Der „gute Grund jetzt“ war drei Tage alt: In der Nacht zum Montag hatte eine „Autonome Zelle“ nach eigenen Angaben 13 Firmenwagen des Siemenskonzerns in Brand gesteckt und das mit der Verwicklung des Konzerns in die „weltweit agierende Atommafia“ begründet. „Wir haben hier zur Pressekonferenz eingeladen, um die Protestveranstaltungen einer breiten demokratischen Bewegung gegen die Politik der beiden Finanzorganisationen IWF und Weltbank vorzustellen. Wir haben zu drei großen Veranstaltungen aufgerufen. In keinem unserer Aufrufe fordern wir zu Gewalt auf“, konterte man vom Podium der Veranstalter den bohrenden Distanzierungswunsch der freien Presse.
Aber weder die Ausführungen der Veranstalter über die „mörderische Auflagenpolitik von IWF und Weltbank mit ihren verheerenden Folgen für Millionen Menschen in der 'Dritten'Welt“ brachte die auf Gewalt orientierte Presse von ihrem Distanzierungswunsch ab, noch der Hinweis der Alternativen Liste, daß es Berlins Innensenator sei, von dem hier Gewalt ausgehe. Mit dem Import Tausender Polizisten und dem Absperren ganzer Stadtteile sei er es, der die Protestbewegung einschüchtern und kriminalisieren wolle. „Es geht doch nicht an, daß dort, wo der IWF hinkommt, der Ausnahmezustand herrscht. Fragen sie den Innensenator, ob er sich von derartigen Machenschaften distanziert“, lautete der Vorschlag vom Podium an die versammelte Presse.
Das war zuviel, weitere inhaltliche Ausführungen mochte die Hälfte der Pressevertreter dann schon gar nicht mehr hören und zog bereits vor Ende der Pressekonferenz wieder ab.
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