: Schikane gegen Aktive
Am 15.April 1988, gegen Mitternacht, klopfte es an der Tür von Familie Labadi in El-Bireh - einem Vorort von Ramallah, nicht weit von Jerusalem. Vor der Tür standen Soldaten. Amal Wachdan, 30jährige Aktivistin des Frauen-Arbeitskomitees in El Bireh, wurde verhaftet - ebenso ihr Mann, der Gewerkschafter Mahmoud Labadi, und seine Schwester, Fadua Labadi, 40jährige Lehrerin und seit vielen Jahren in Frauenorganisationen aktiv. Die Kinder von Mahmud und Amal (eine vierjährige Tochter und ein zweijähriger Sohn) mußten den Nachbarn überlassen werden.
Fadua Labadi: „Wir wurden nach Jerusalem gebracht, und sie haben mich in eine zwei mal zwei Meter große Zelle geschlossen. Am ersten Tag wurde ich zum Verhör gebracht. Sie stülpten einen Sack über meinen Kopf und banden meine Hände an einen Stuhl. Es hat vier, vielleicht sechs Stunden gedauert. Sie haben mich über meine Aktivitäten ausgefragt. Ich wurde nicht geschlagen. Vielleicht weil ich älter bin. Aber ich weiß von anderen Frauen, die geschlagen wurden oder getreten.
Nach diesem ersten Tag wurde ich zurück zu meiner Zelle gebracht, wo ich die nächsten zwei Wochen verbringen mußte. In der Zelle gibt es kein fließendes Wasser. Man bekommt Wasser jeden Tag durch ein kleines Fenster in der Tür. So kommt auch das Essen rein. 14 Tage war ich völlig isoliert, dann kam ich in eine andere Zelle, zusammen mit zehn Frauen. Während des ganzen Monats habe ich keine Besuche bekommen: Nach 25 Tagen durfte ich meinen Anwalt sehen, aber Familienbesuche kamen nicht in Frage.
Am Ende des Monats wurde ich vor Gericht gebracht, und es stellte sich heraus, daß ich angeklagt wurde, weil ich vor zehn Jahren zwei Schüler zum Studium nach Amman geschickt habe. Während ihrer Studienzeit wurden sie Mitglieder der PLO, und als sie zurückkamen, wurden sie verhaftet. Sie haben meinen Namen erwähnt, so kam ich ins Gefängnis. Als der Richter das hörte, wurde ich entlassen. Ich glaube aber nicht, daß es ein Versehen war - es ist einer von vielen Wegen, um aktiven Leuten Angst zu machen, sie zu schikanieren.“
Amal Wachdan: „Mich haben sie in eine kleine Zelle gebracht und vierzig Tage in Isolationshaft gehalten, ohne daß ich meine Kinder oder meinen Anwalt sehen durfte, ohne daß ich wußte, was mit meinem Mann geschehen war. Es war einfach Folter - psychisch und physisch. Es ist sehr schwer, unter solchen Bedingungen einen klaren Kopf zu behalten. Es war besonders schwer, weil ich kleine Kinder habe und mein Mann auch verhaftet wurde. Ich wußte, daß die Kinder sehr darunter leiden würden: Seit jener Nacht haben sie oft Fieber und sind sehr unruhig geworden.
Nach vierzig Tagen wurde ich vor Gericht gebracht, und wegen 'Aufwiegelung‘ verurteilt. Sie haben mir drei Monate Haft und ein weiteres Jahr, ausgesetzt für drei Jahre auf Bewährung, gegeben. Im Juli wurde ich entlassen, aber mein Mann ist immer noch im Gefängnis. Er ist einer von denen, die deportiert werden sollen. Zur Zeit ist er noch in Jerusalem, und ich kann ihn einmal in der Woche besuchen. Fünf Stunden lang müssen wir draußen in der Sonne warten, um ihn zwanzig Minuten sehen zu dürfen.“
Auf die Frage, ob sie auch das Land verlasse, wenn er deportiert würde, antwortet Amal Wachdan: „Nein, auf keinen Fall. Das ist es ja, was sie erreichen wollen, daß mit den Deportierten auch ihre Familien weggehen. Ich weiß zwar nicht, wann ich ihn dann sehen werde. Aber wir sind nicht die einzige Familie, die getrennt worden ist. Und die Trennung wird so lange dauern, bis wir gewonnen haben. Das kann nicht sehr lang sein.“
rr
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