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Laufen für die gute Sache

New York (taz) - Blauer Himmel, laues Lüftchen, vermischt mit den vibrienden Echos karibischer Steel-Bands. Rund um die Welt mag es Hunderte solcher Szenen gegeben haben. Doch nur eine hat es geschafft, so massiv in die Medien zu dringen: jene um das Hauptquartier der Vereinten Nationen, die Hochburg von „1001 guter Tat“. Und wie immer, wenn ein Akt in diesem Märchen inszeniert wird, ist kein Durchkommen zur gläsernen Bunkeranlage am östlichen Rande von Midtown Manhattan.

Ein Taxifahrer leert mein Portemonnaie, ehe er verrät, es gebe keine Möglichkeit, ans Territorium der guten Tat ranzufahren. Als ich anfange zu schimpfen, zeigt er mir den Vogel, ich zeige auf einen Polizisten, und der wiederum scheucht einen Penner vom Bürgersteig hoch, weil bald jene, die für die gute Tat rennen, hier vorbeikommen werden. Keuchend, stehe ich kurz vor elf Uhr auf dem Vorplatz der UNO, wo sogleich der offizielle Startschuß fällt.

An die 200 Kinder, aus jedem Teilnehmerland zwei und mit ihren Nationalfähnchen in der Hand, treten nervös auf der Stelle, weil sie gleich ganz geordnet auf eine große Empore zu-gehen-laufen-rennen sollen, um von dort aus in die Fernsehkameras zu winken, auf daß alle Kinder in der ganzen Welt wissen, daß nun in über hundert Ländern gelaufen wird, um den Armen unter ihnen zu Hilfe zu kommen. „Omar Khalifa“, flüstern sie, als wär's eine Zauberformel. Kaum nämlich ist die Mission der Kleinen erfüllt, läuft der Sudanese, über den man den Kindern erzählt hat, daß er ein berühmter Olympialäufer ist, mit der Feuerfackel auf die Empore und entfacht die Flamme, die den paar tausend Läufern, das offizielle Startzeichen ist.

Die 13jährige Janina Lehmann und der 10jährige Stefen Döring sind mit ihrer Aufpasserin Claudia Käpernick (24) eigens aus Berlin eingeflogen worden, um die Bundesrepublik zu vertreten. Ihre Auswahl fand nach dem Losprinzip statt. Sie will darauf aufmerksam machen, wie dreckig es den Kindern in der Dritten Welt geht, sagt Janina. War sie schon mal in der Dritten Welt? Nein, sagt sie, aber „das kann man ja auch im Fernsehen sehen, was die für Wasserbäuche haben“. Stefan hat keine Lust, sein Fähnchen für die Kamera zu schwenken und dann Omar Khalifa zu schenken, wie es Claudia und die anderen Kinder tun. Er will seine Fahne wieder mit nach Hause nehmen.

Claudia, die angehende Sportlehrerin und Betreuerin, lächelt. Warum sie von „Sport Aid“ ausgesucht wurde? „Vielleicht weil ich viel mit Behinderten arbeite.“ Aber was die Wahl der Kinder angeht, da findet sie doch das schwedische Prinzip am besten: Dort mußten die Kinder Aufsätze schreiben, über ihre Gefühle zu Kindern in der Dritten Welt. Die beiden besten Aufsätze gewannen die Reise.

„Da weiß man wenigstens, daß sie wissen, wovon sie reden“, pflichtet Janina ihrer Betreuerin bei und erzählt, daß sie vor ihrer Abreise von der 'Bild'-Zeitung interviewt und dann falsch zitiert worden sei. Wie denn? Na ja, die haben geschrieben, Janina wolle auf die Freiheitsstatue, dabei hat sie doch nur gesagt, daß sie eventuell auf die Freiheitsstatue wolle. Aber jetzt, wo sie schon mal hier ist, will sie natürlich auf die Freiheitsstatue. Mmh, mit welchen Komplikationen doch Laufen für die gute Sache daherkommt.

Gisela Freysinger

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