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„Nieder mit dem Umweltzerstörer Nagymaros“

In Budapest demonstrieren 20.000 gegen das Donaukraftwerksprojekt / Einstellung der Bauarbeiten und Volksbefragung gefordert / Die Donau als Symbol von „Völkerverständigung und Freiheit“ / Rumänische Flüchtlinge beteiligt  ■  Aus Budapest Roland Hofwiler

Der Schwabe schüttelt den Kopf, raus aus McDonalds, den letzten Bissen Hamburger noch im Mund, geht's nicht weiter in der Fußgängerzone: Demonstranten versperren ihm den Weg. „Helga, des isch ja wie bei uns, wenn die Chaote demonschtrierat“, sagt er zu seiner Frau. Doch noch ehe er sich versieht, drückt ihm ein Punk ein Flugbatt in die Hand. Der Deutsche stutzt, „seit wann demonstrieren die Roten denn im Sozialismus?“

Die Demo beginnt, Montag, 17Uhr. Im Herzen von Pest versammeln sich an die 20.000, um gegen das Donaukraftwerksprojekt Gacikova-Nagymaros zu protestieren. Direkt am Donauufer und den angrenzenden Altstadtgäßchen, vorbei an den Luxushotels, den Edelboutiquen, den Schickeria -Bierstuben, den Massagesalons für die oberen Zehntausend Ungarns, ziehen die Demonstranten Richtung Parlament. Fußweg knapp ein Stunde. Arbeiter in ihren Werksklamotten, Heavy -Metal-Fans, Bäuerinnen in ihrer Dorftracht, Schlagersänger, Hochschuldozenten und vor allem Studenten und Schüler sind dabei. Auf den mitgeführten Bettuchbannern steht das Anliegen der Marschierenden: „Nieder mit Nagymaros - dem Umweltzerstörer Nr.1“, „Wir brauchen kein ungarisches Hainburg“, „Österreich, Ungarn, CSSR, sucht neue Energiequellen - erhaltet die Donau“. Dazwischen Parolen, in denen die Sehnsüchte vor allem der Jugend zum Ausdruck kommt, die selbst nicht mehr das nötige Kleingeld hat, um sich bei McDonalds einen Hamburger zu leisten, auf die Arbeitslosigkeit wartet, die noch als 30jährige bei ihren Eltern hocken müssen, weil sie sich keine eigene Bude leisten können. „Eine freie Donau, eine freie Presse, freie Menschen“, heißt es da. Darunter in dicken roten Buchstaben „Fideszliga der jungen Demokraten“. Eine Studentengruppe, die in der Parteipresse noch immer als Staatsfeinde und Umstürzler beschimpft wird, deren Jungführer einmal die Woche polizeilich vorgeladen werden und regelmäßig für Tage in den Knast wandern. Heute stört es niemanden, daß sie massenweise ihre Ungeduld zeigen. Istvan Uszics, ein Aktivist der Gruppe, die nach eigenen Angaben schon 2.000 Jugendliche zählt und dessen Mutter im ZK-Organ 'Nepszabadsag‘ arbeitet: „Du wirst sehen, bald machen wir nicht mehr Flugblätter, sondern unsere eigenen legalen Zeitungen.“ „Und was hat das mit dieser Umweltdemo zu tun?“, frage ich verblüfft. „Du siehst alles zu eng, klar darf Nagymaros nicht gebaut werden, aber verdammt, es würde auch nicht gebaut, hätten wir hier eine Demokratie.“

Ich schaue mich um. Zwei große Plakate im Abendlicht. „Die Donau gehört der Natur, sie gehört keinem Ceaucescu - die Bewegung für ein freies Rumänien.“ Hier stehen sie also, die „Melekueltek“, die Flüchlinge, Rumänen, die von Budapest aus unbehelligt von den Behörden den Sturz des roten Tyrannen und Conducatore (Führer) fordern. Hier finden sich alle, die in der Donau ein Symbol von „Völkerverständigung und Freiheit“ sehen, wie sich ein Redner vor den Parlamentsstufen ausdrückte. Natürlich ginge es in erster Linie um Nagymaros und Gacikova, die beiden Kraftwerke, die die letzten Auwälder der Donau zerstören. Aber es ging eben nicht nur um Nagymaros allein. Die Organisatoren geben sich keinen Illusionen hin, dennoch überreicht man dem Parlamentspräsidenten eine Protestnote, in der die sofortige Einstellung der Bauarbeiten und eine Volksbefragung gefordert werden.

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