GRUSINSKI FILMI I KULTURA

■ Gespräch mit dem georgischen Kulturminister Assatiani während der Eröffnung der Niko Pirosmani-Ausstellung in der Grundkreditbank

Er ging von Gaststätte zu Gaststätte und machte so Tag für Tag seine Runde. Er trank oft und in zunehmendem Maße, doch ohne je seine Würde zu verlieren. In Tiflis gab es ungezählte Kneipen und Vergnügungsstätten. Wenn er in eine Gaststätte kam, wurde er von den Zechern stürmisch begrüßt. 'Der Wein hat ihn umgebracht‘, berichtet der Weinhändler Meschischwili, 'und er war selbst wie unausgegorener Wein, immer in Bewegung. Mal schien er klug zu sein, mal, als habe er überhaupt keinen Verstand.‘ Er konnte keiner anderen Arbeit nachgehen, er gehörte ganz der Malerei. Er befand sich in der Gefangenschaft seiner Kunst. Er war ein professioneller Künstler im direkten Sinne des Wortes.“ (aus dem Ausstellungskatalog)

taz: Herr Assatiani, ich weiß nicht viel über Georgien. Hier in der Porismani-Ausstellung gibt es ein paar Bilder, die heißen „Gelage in der Weinlaube“ oder „Gelage dreier Fürsten auf der Wiese“. In den drei oder vier Filmen, die ich aus Georgien gesehen habe, wird viel getrunken und gefeiert. Die Georgier scheinen ein ziemlich trink- und lebenslustiges Volk zu sein.

Dolmetscher: ... film ... akrusi ... vino ... narot ...

Assatiani: ... grusine ...

D: Ja, das stimmt genau, sie sind ein sehr lebensfrohes Volk.

A: ... narot ...

D: Wenn Sie mal nach Georgien kommen sollten, dann können Sie sich davon überzeugen, daß es auch ein sehr arbeitssames Volk ist.

A: ... grusini ...

D: Nur von der Lebensfreude kann man auch dort nicht leben. Die Lebensfreude hilft bei der Arbeit, und umgekehrt.

Die russischen Filme sind sehr pathetisch und moralisch. Georgische Filme zeigen eher Alltäglichkeiten und haben einen ausgeprägten, sarkastischen Humor. Liegt das an der Mentalität des Volkes?

D: ... russki filmi ... patos ... grusinski filmi ...

A: ... kinematografie ... strudna ... arsenalie ...

D: Er sagt, man müßte natürlich den ganzen georgischen Film gesehen haben, um das wirklich zu beurteilen. Das mit dem Humor stimmt auf jeden Fall. Er weiß allerdings nicht, welche Filme im Arsenal gezeigt werden, weil er erst gestern gekommen ist.

A: ... laprimera ... film Tengese Abuladse ... trilogiee ...

D: Er sagt, zum Beispiel die Filme von Tengese Abuladse, „Die Reue“, die ja jetzt überall auf der Welt gesehen werden konnte, und seine ganze Trilogie, das sind Filme, die allgemein menschliche Probleme beleuchten, die eigentlich die ganze Menschheit angehen.

A: ... filmi ...

D: Deswegen schlägt er vor, daß Sie kommen sollten, um sich möglichst viele Filme anzuschauen...

A: ... journalista ...

D: ... und wenn Sie nach Georgien kommen, daß Sie sich auch mit Journalisten unterhalten und dort Freunde finden. Er glaubt, daß man sehr vieles Gemeinsames finden kann...

A: ... simbolis ... kultura ...

D: ...besonders heute, wo es ja sehr viele Diskussionen gibt und sehr verschiedene Standpunkte, auch im Kulturbereich, nebeneinander existieren.

A: ... kinematografo grusinski ...

D: Was das georgische Kino anbetrifft, will ich noch bemerken, daß jetzt eine sehr interessante Generation von jungen Filmemachern begonnen hat.

A: ... filmi ... problem ...

D: Obwohl sie sehr verschiedene Filme machen, haben sie das Gemeinsame, daß allgemein menschliche Problem im Vordergrund stehen, und diese Filme finden sehr großes Interesse in Georgien.

Sind das Regisseure einer bestimmten Filmschule, oder ist das eine Aufbruchsstimmung, die in der ganzen jungen Generation herrscht?

D: ... schkoola ...

A: ... regisschore ... Abuladse ... Schengelaja ... aspekta ...

D: Das ist natürlich so ein Prozeß, der schon durch die ganzen jetzt berühmten Regisseure wie Abuladse, Schengelaja, usw. in Gang gesetzt wurde, es ist nur so, daß die ganz Jungen das vielleicht noch stärker fühlen. Die Aufmerksamkeit dem Mitmenschen gegenüber im technischen Zeitalter, wo der Mensch durch diese Technik oft roboterähnlich gemacht wird, das ist ein Thema, was gerade von diesen jungen Regisseuren immer wieder aufgegriffen wird.

A: ... problema ... tradiezo ...

D: Etwas das Ökologie-Problem, das wir auch haben, oder das Phänomen, das die Jugend aus den Dörfern wegzieht und die Dörfer ihre ganze Tradition verlieren.

A: ... filmi ...

D: Filme, die also vom Leben selbst hervorgerufen werden.

A: ... plakatna ...

D: Aber eben nicht plakativ und mit irgendwelchen Losungen übertüncht, sondern wirklich vom einzelnen Menschen aus gesehen.

Die georgischen Filme, die ich kenne, sind sehr einfallsreich gemacht, und auch die schön älteren üben auf durchaus humorvolle Weise harte Kritik an den herrschenden Zuständen. Sie scheinen eine größere Freiheit zu haben, als Regisseure in anderen Sowjetrepubliken. Liegt das daran, daß Georgien eine Randrepublik ist?

D: ... grusinski filmi ...

A: ... grusinski regischore ...

D: Er kann sich nicht erinnern, daß überhaupt irgendein Film eines georgischen Regisseurs während der Produktion gestoppt wurde, nicht mal während der „Zeit der Stagnation“, wie man die Breschnew-Zeit jetzt nennt.

A: ... film ... nazad ...

D: Dieser Film, „Die Reue“ zum Beispiel, der wurde vor mehr als zehn Jahren gedreht.

A: ... spektakel ... prinzipalnje ... kritiki ...

D: Auch im Theaterbereich hat es keine solchen Fälle gegeben, wo etwas gestoppt worden ist. Er weiß eigentlich nicht, wie er das erklären soll. Vielleicht ist eine Möglichkeit, daß es sehr professionelle Regisseure und sehr professionelle Kritiker sind, und daß es eine Gemeinsamkeit von Ideen gibt.

A: ... grusije ... tradizione ...

D: Das hat es in den letzten Jahren kaum gegeben, daß die Regierung in Georgien irgendwelche Talente nicht gefördert hätte, sondern wenn man ein Talent entdeckt, dann versucht man es zu fördern, und das hat Tradition.

D: ... nakranjie ...

A: ... karakter nazionale ...

D: Er sagt, daß es nicht so sehr daran liegt, daß Georgien am Rande liegt, sondern daß es einfach diese Tradition und diesen Nationalcharakter gibt.

A: ... kultura ... sowjiestski kultura ... publiki ... nazinale ...

D: In der Sowjetunion hat jede Republik ihre eigene Kultur. Die „sowjetische Kultur“ ist nur ein Sammelbegriff für ganz viele eigenständige Kulturen.

Wie ist das mit ausländischen Filmen? Es gibt ja einen berühmten Georgier, der im Westen lebt, Otar Iosseliani...

A: Yes! He's my friend (lachen)

...der einen Film in Paris gemacht hat. Ist so ein Film auch in Georgien zu sehen?

D: ... filmi ... krusi ...

A: ... favorte de lune ... yes, it's very interesting...

I love it!

A: Yes!

D: Ja, natürlich kann man den in Georgien sehen.

Und andere ausländische Filme, amerikanische etwa?

D: ... filmi amerkanski ...

A: ... franzose ...

D: Er sagt, ja, sie haben auch amerikanische und französische Filme gezeigt. Er ist der Meinung, daß Filme offen gezeigt und dann darüber diskutiert werden sollte. Jeder hat seine Meinung, und die kann sehr auseinandergehen. Aber zuerst muß man sich die Dinge mal anschauen.

A: ... filmi... geniali ...

D: So ein Film, der allen gefällt, daß kann kein genialer Film sein.

Vielen Dank für das Gespräch.

D: Otschen spassiba.

Dolmetscher: Markus Wehner

Interview: Torsten Alisch

Pirosmani-Ausstellung bis zum 6.10. im Kunstforum in der Grundkreditbank. Georgische Filme im Arsenal bis zum 18.9.