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Ich bekomme dann ein Unikat

Robert van Ackeren zum Vorwurf, Sonja Kirchberger sei ein Softporno-Star Auszüge aus einem Gespräch mit Gunter Göckenjan  ■ I N T E R V I E W

taz: Wenn du ein Projekt planst, denkst du über die Erfolgschancen nach?

Robert van Ackeren: Nein, ich gehe von den Dingen aus, die mich interessieren und berühren. Ich hoffe dann, daß das Ergebnis auch ein breiteres Publikum interessiert. Aber ich mache ja kein Heimkino. Ich überlege mir sehr genau, wie ich das, was mich beschäftigt, vermittle. Filmemachen ist nicht Tagebuchschreiben.

Was sind das für Überlegungen? Ist z.B. die Wahl Sonja Kirchbergers eine Konzession an den Publikumsgeschmack?

Nein, ganz im Gegenteil. Ich hatte sogar Schwierigkeiten, sie durchzusetzen. Ich hätte ja auch eine renommierte Schauspielerin nehmen können. Wenn du populäre Schauspieler nimmst, ist auch die Finanzierung leichter. Ich habe mich aber für Sonja entschieden, die vorher noch keinen Kinofilm gemacht hat. Das Risiko geht man nur ein, wenn sich damit eine Vorstellung verbindet. Außerdem verstehe ich auch nicht, wo du die Konzession witterst.

Im Grunde ist sie doch eine Figur für ein Hochglanzpornomagazin.

Das sehe ich überhaupt nicht so. Sonja Kirchberger ist zwar mit den sogenannten weiblichen Attributen gesegnet, aber das muß doch kein Widerspruch sein zu einer Filmrolle.

Aber sie kann doch auch nicht schauspielern.

Colette Godar von 'Le Monde‘ hat genau das Gegenteil gesagt. Sie schrieb, daß Sonja die perfekte Balance herstellt zwischen der Rolle und der ironischen Distance.

Wo hast du sie entdeckt?

Ich habe von ihr ein Foto in einem Möbelprospekt gesehen, in dem sie als Garnierung für die Möbel...

Schlafzimmer?

Nein, Bauernmöbel. Die Art, wie die Frauen gezeigt sind, hat viel mit Männerfantasien zu tun, das ist ein Thema des Films. Es gibt bei Sonja eine Affinität der Person zur Figur. Das ist anders als bei den routinierten Schauspielern, die von einer Rolle in die andere schlüpfen und dafür eine Technik haben.

Du nimmst nie bekannte Gesichter?

Ich bin neugierig auf neue. Die bekannten sind mir zu bekannt. Ich gehe lieber das Risiko ein, mit denen zu arbeiten, die noch nicht so etabliert sind. Ich bekomme dann auch ein Unikat!

Myriem Roussel finde ich wunderbar. Welche der beiden Frauen hat deine größere Sympathie?

Beide. Ich wollte keine Polarisierung. Man sollte sich nicht entscheiden. Es sind zwei starke selbständige Personen.

Man schrieb, du seist ein heimlicher Moralist, was ist heimlich, was moralisch?

Weder mache ich irgendetwas heimlich, noch bin ich ein Moralist! Meine Filme leben ja gerade davon, daß sie nicht moralisieren, sich nicht auf Konventionen einlassen. Ich zeige vertraute Dinge aus einem fremden Blickwinkel, mit Distance und Ironie. Ironie ist dabei für mich ein Mittel der Präzisierung.

In deinen Filmen stehen immer Frauen im Vordergrund...

Meist sind im Kino die männlichen Figuren die Helden, die Frauen braucht man nur, um eine Geschichte filmisch zu erzählen, sie stellen den Konfliktstoff dar. Das ist bei mir ganz anders. Bei meinen Filmen liegen die Sympathien bei den Frauen.

Wie gefiel dir damals bei der „Flambierten Frau“ das Lob der 'Quick‘?

Das kann passieren, wenn man Filme macht, deren Gegenstand Männerfantasien sind, weil das eben was mit Klischees zu tun hat und auch mit Kinomythen.

Die Kirchberger spricht ja auch wie ein Ufa-Star.

Sie steht für mich in der Tradition der Kinoleitbilder. Aber als ironisches Zitat. Mich interessiert der Umgang mit Klischees und den Elementen des Trivialkinos, weil sich darin die Sehnsüchte vieler spiegeln. Spannend finde ich es, diese Elemente in verrutschter Form zu benutzen. Dabei entstehen die Widerhaken, die meine Filme haben.

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